Nachgefragt: der Verlag Krug & Schadenberg

Verlegerinnen-Duo Andrea Krug & Dagmar Schadenberg

Heute geht es in unserer Reihe Nachgefragt: um einen bald dreißig Jahre alten Verlag für lesbische Literatur. Chapeau! Doris Hermanns hat sich mit Andrea Krug unterhalten, einer der beiden Verlegerinnen des Verlags Krug & Schadenberg.

Doris Hermanns: Im Mai des nächsten Jahres wird euer Verlag dreißig Jahre alt. Wie kam es dazu, dass du damals mit Dagmar Schadenberg zusammen den Verlag gegründet hast und was war euer Anliegen?

1993, als wir den Verlag Krug & Schadenberg gegründet haben, gab es schlicht zu wenig Literatur von und für lesbische Leserinnen und deren Freundinnen. Das wollten wir dringend ändern. Beide hatten wir voller Begeisterung ein hinreißendes Lesben-Sex-Buch von Susie Bright gelesen, die damals als im besten Sinne des Wortes „schamlose“ Sexpertin“ in den USA Furore machte. Diese Lektüre war für uns der Anlass, den Wunschtraum, einen Verlag ausschließlich für lesbische Literatur zu gründen, in die Tat umzusetzen. Nach Susie Brights Sexbuch (übersetzt von Birgit Scheuch), mit dem wir auf Anhieb großen Erfolg hatten, folgte dann auch gleich der erste Roman, eine wunderschöne und zeitlose Coming-out-Geschichte, die tatsächlich noch immer in unserer Backlist zu finden ist: Die Wahl des Glücks von Nancy Toder (übersetzt von Cornelia E. Kähler) – es ist leider das einzige Buch dieser Autorin geblieben.

Wie arbeitet ihr als unabhängiger Verlag? Im Wesentlichen zu zweit? Gebt ihr Arbeiten wie Übersetzungen und Lektorate beispielsweise außer Haus?

Vor Ort sind wir zu zweit, und wir sind seit Anbeginn ein Dreamteam: Schwerpunktmäßig ist Dagmar Schadenberg als Grafikerin und Typografin für Bild zuständig und ich als Wortarbeiterin für Text (plus alles, was mit Zahlen zu tun hat). Alle weiteren Bereiche teilen wir untereinander auf und wichtige Entscheidungen treffen wir stets gemeinsam. Wir machen sehr viel „in house“: Lektorat, Satz, Gestaltung … Gelegentlich geben wir eine Übersetzung raus, und alle Übersetzungen, die ich selbst mache, werden von einer Außenlektorin redigiert. Das Korrektorat erfolgt ebenfalls außer Haus. Meistens vergeben wir Aufträge an Kolleginnen aus dem Branchennetzwerk BücherFrauen e. V., das wir mit gegründet haben und das ein wahrer Fundus an kompetenten Frauen rund ums Büchermachen ist.

Wie ging es nach euren ersten beiden Büchern weiter?

Anfangs haben wir vor allem Bücher aus den USA übersetzt, weil es hierzulande nur wenige lesbische Autorinnen gab – und/oder wir sie und sie uns nicht kannten. Das änderte sich zum Glück rasch. Wir wollten gern auch deutschsprachigen Autorinnen ein Forum bieten und haben das auch erfolgreich umsetzen können: Manuela Kuck kam mit ihrem Debütroman Lindas Entscheidung zu uns, dem noch neun weitere Bücher folgten. Dass sie uns und unseren Leserinnen die „Lindenstraße für Lesben“ lieferte, wie eine Rezensentin schrieb, fanden wir großartig! Im Laufe der Zeit kamen noch viele weitere deutschsprachige Romanautorinnen hinzu wie Claudia Breitsprecher mit einem Ost-West-Roman und zwei weiteren fein ziselierten Werken, dann Ahima Beerlage mit einem frühen Coming-out-Roman aus dem Ruhrpott und Astrid Wenke mit ihren skurrilen Weddinger Heldinnen und jüngst die Schweizerin Daniela Schenk, deren Protagonistin lernen muss, mit einer bipolaren Störung zu l(i)eben.

Hat sich euer Programm im Laufe der Jahre verändert und wenn ja, wie?

Insgesamt liegt der Schwerpunkt heute auf der Belletristik und vor allem auf schönen Romanen. Diese dürfen gern aus aller Frauen Länder kommen, und mittlerweile decken wir da ein recht breites Spektrum ab, auch wenn der angloamerikanische Sprachraum noch dominiert, was auch mit meinem persönlichen Hintergrund zu tun hat. Die früheren Coming-out-Romane gehören inzwischen eher der Vergangenheit an – lesbisch zu sein ist heute hierzulande ja gesellschaftlich weitgehend akzeptiert. Heute stehen andere Themen im Vordergrund, wobei die lesbische Perspektive natürlich immer vorhanden ist – das Lesbische ist nun jedoch nicht mehr Dreh- und Angelpunkt des Plots.

Was ist für euch das wichtigste Buch, das ihr verlegt habt, falls sich das so sagen lässt?

Das ist eine schwierige, in dieser Absolutheit nicht zu beantwortende Frage. Ein wichtiges Buch sowohl für uns als auch für die Community ist sicherlich bis heute Leslie Feinbergs (Trans)Gender-Klassiker Stone Butch Blues (Übersetzung: Claudia Brusdeylins). Ebenfalls wichtig: der Late-Bloomer-Roman Mrs. Medina von Ann Wadsworth (Übersetzung: Andrea Krug), den sehr viele Frauen, die ein spätes Coming-out durchleben, mit Begeisterung lesen, und der so wichtige Themen verhandelt wie Alter/n, Abschied nehmen, Tod eines Lebenspartners, Zusammenbruch und Neubeginn, einschließlich einer neuen Liebe.

Als ihr vor fast dreißig Jahren angefangen habt, gab es noch über dreißig Frauenbuchläden allein in Deutschland, aber auch einige in der Schweiz und in Österreich. Wie wirkt es sich für euch aus, dass es heute nur noch wenige gibt?

Der über die Jahre fortgesetzte Wegfall der Frauenbuchläden hatte fatale Folgen für uns wie für die anderen Frauenverlage. Mit jedem Frauenbuchladen, der schließen musste, fiel eine wichtige Verkaufsstelle für uns weg, und das konnte und kann auch nicht durch das Engagement einzelner Buchhändlerinnen im allgemeinen Sortiment aufgewogen werden. Und auch nicht durch den großen Platzhirsch mit dem kleinen a, der den Internetbuchhandel forcierte. Der Sortimentsbuchhandel spielt leider insgesamt keine große Rolle mehr für uns. Es gibt ja BuchhändlerInnen, die meinen, sie bräuchten keine Bücher mit lesbischen Thematiken, da sie keine lesbische Kundschaft hätten – was sie natürlich a) nicht wissen können und b) voraussetzt, dass nur lesbische Leserinnen Bücher mit lesbischer Perspektive lesen, aber stimmt das? Der Einsatz gegen diese Überzeugung ist seit Jahren ein Kampf gegen Windmühlenflügel.

Wir versuchen also, direkt mit unseren Leserinnen/Kundinnen in Kontakt zu kommen und beliefern sie auch direkt. Auf die Weise haben wir uns einen treuen Stamm von Leserinnen geschaffen und bekommen viel unmittelbare und oft beflügelnde Resonanz.
Dennoch sind die Auflagen im Laufe der Jahre kontinuierlich zurückgegangen – im Grunde sind wir da längst an der Schmerzgrenze angelangt. Ein kleines Gegengewicht dazu bildet der Aufstieg der E-Books – wir verkaufen heute bei manchen Titeln mehr digitale als Printbücher, vor allem bei der „leichten Liebesliteratur“.

Ihr habt 2020 den Deutschen Verlagspreis erhalten und Bibliodiversität ist ja seit einigen Jahren durchaus ein Thema in der Buchbranche. Dennoch scheinen Lesben dabei so gut wie nicht vorzukommen oder wie siehst du das?

Dass wir den Deutschen Verlagspreis bekommen haben, hat uns natürlich riesig gefreut! Es ist ein Qualitätssiegel, ganz klar, und die damit verknüpfte Dotierung kam uns gerade recht und floss u. a. in die Ausstattung eines feinen Hardcovers mit Schutzumschlag und Lesebändchen ein. Die Auszeichnung begreifen wir auch als Wertschätzung unseres Programms und als Anerkennung unseres jahrzehntelangen Engagements für lesbische Literatur. Dass Lesben in der Buchbranche generell kaum vorkommen, stimmt sicherlich. Dagegen arbeiten wir also weiterhin an.

Als Verlag für lesbische Literatur bilden wir natürlich per se ein Gegengewicht zur allgegenwärtigen Hetero-Literatur, um es mal plakativ zu formulieren. Und was unser Verlagsprogramm angeht, haben wir uns von der Gründung an um Diversität in der literarischen Landschaft bemüht.

Wir haben Geschichten von Non-Binarys und Transgender im Programm, von jungen wie alten Menschen, von Menschen mit Behinderungen oder psychischen Beeinträchtigungen, von (bislang leider erst sehr wenigen) People of Colour. Wir wünschen uns für die Zukunft noch mehr Bibliodiversivität und sehen es als Herausforderung, entsprechende Geschichten, Manuskripte, Autorinnen zu finden. Für Vorschläge sind wir stets offen.

Dank an Doris Hermanns und Andrea Krug!

Tipp: Und noch ein Hinweis für die Berlinerinnen: Am 4. Dezember stellt Andrea Krug zusammen mit der Autorin Ahima Beerlage den Verlag Krug & Schadenberg im Literaturcafé des Frauenkulturzentrums Begine vor. Ein großer Büchertisch lädt zum Stöbern ein.

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