Nachgefragt: der InterKontinental Verlag

Foto (c) StockSnap

Heute geht es in unserer Reihe Nachgefragt: nach Afrika. Doris Hermanns hat sich mit Venice Trommer vom InterKontinental Verlag unterhalten. Der taufrische Berliner Verlag ist spezialisiert auf afrikanische und afrodiasporische Literatur. Im Verlagsprogramm werden „jene Autor*innen in deutscher Übersetzung, die von Kritiker*innen und Publikum weltweit gefeiert werden“.

Doris Hermanns: Dieses Jahr startet ihr mit dem InterKontinental Verlag, nachdem es das African Book Festival sowie den Buchladen Interkontinental – beides in Berlin – bereits seit 2018 gibt. Wie kam es zu dem Festival? Wie zum Buchladen, dann zum Verlag?

Meine Partnerinnen Karla Kutzner und Stefanie Hirsbrunner hatten 2017 die Idee für das African Book Festival, weil es in Berlin nichts Vergleichbares gab. Sie hatten die Beobachtung gemacht, dass afrikanische Autor*innen zwar immer gern zu politischen Roundtables eingeladen wurden, aber wenig über ihr Schreiben unter ästhetisch-künstlerischen Gesichtspunkten gesprochen wurde – das wollten sie ändern. Ich kam ursprünglich als Praktikantin dazu und bin mittlerweile Teilhaberin.

Aus dem ersten Festival ergab sich dann die Idee, eine Buchhandlung zu eröffnen. Eine externe Buchhandlung war damit beauftragt, den Büchertisch zu organisieren. Doch diese stieß bei der Besorgung der vielen englischsprachigen Titel der Festivalgäste an ihre Grenzen. Das Ziel des African Book Festivals ist es, den vielen international gefeierten Schriftsteller*innen aus Afrika und seiner globalen Diaspora eine Bühne zu geben und ihnen auch hierzulande die Aufmerksamkeit zu verschaffen, die ihnen gebührt. Wenn ihre Bücher aber nicht verfügbar sind, verpufft die Wirkung der Veranstaltung schnell. Also suchten wir nach einem neuen Büro mit Ladenfläche und eröffneten die InterKontinental Buchhandlung und organisieren seitdem selbst den Büchertisch beim Festival.

Auch die Verlagsgründung ergab sich organisch. Zum einen kam Stefanie die Idee für den Essayband Kann das denn Liebe sein?, der am 25. August erscheint und persönliche Essays von 15 Autor*innen zum Thema interracial (Liebes-)Beziehungen enthält. Zum anderen gab es in unserem Sortiment in der Buchhandlung zahlreiche Bücher, die uns am Herzen liegen, die wir gern empfehlen, jedoch vergeblich auf eine deutsche Übersetzung warteten und beschlossen, uns eben selbst darum zu kümmern.

Der InterKontinental ist ein Verlag für afrikanische und afrodiasporische Literatur. Was ist euer Anliegen? Welche Bücher möchtet ihr veröffentlichen?

In erster Linie geht es uns um zeitgenössische und letztlich einfach gute Literatur. Im ersten Verlagsprogramm erscheinen drei Romanübersetzungen afrikanischer Autor*innen, in der Zukunft wollen wir aber auch die Diaspora mehr mitdenken und beispielsweise afrokaribische oder afrodeutsche Literatur einschließen. Dabei wollen wir uns thematisch nicht einschränken.
Wir wollen inhaltlich, stilistisch und optisch interessante Bücher machen, die sowohl im (immer noch sehr weißen) literarischen Mainstream ihren Platz finden, als auch Leser*innen of Color ein Gefühl der Repräsentation nicht weißer Perspektiven auf dem deutschen Buchmarkt vermitteln.

Wie viele seid ihr im Verlag und im Buchladen? Wie teilt ihr die Arbeit auf? Bist du die Einzige von euch, die auch übersetzt?

Wir sind ein kleines Team, überwiegend Karla Kutzner, Stefanie Hirsbrunner und ich. Zwar ergibt sich durch persönliche Präferenzen und Kompetenzen eine organische Aufgabenverteilung, doch grundsätzlich ist jede von uns in alle Teilbereiche unserer Arbeit involviert. Darüber hinaus haben wir aktuell zwei Kolleginnen, die uns unterstützen.
Im Verlag arbeiten wir außerdem in den Bereichen Gestaltung, Lektorat und Übersetzung mit Freischaffenden zusammen. Für den Essayband hat neben mir auch Stefanie aus dem Englischen übersetzt, ich bin aber die Einzige im Team, die sich als Literaturübersetzerin bezeichnen würde.

Eure ersten vier Bücher erscheinen in diesem Monat, drei Übersetzungen von Romanen aus Nigeria, Uganda und Botswana und der zweisprachigen Essayband. Wird es auch in Zukunft eine Mischung von Romanen und Essays bzw. Sachbüchern geben?

Die ersten Veröffentlichungen sind für uns ein unglaublich großes Ereignis. Wir sind gespannt, wie sie vom Publikum und der Kritik aufgenommen werden. Die Idee ist, vorerst bei vier Titeln im Jahr zu bleiben, von denen eines ein Sachbuch oder Essayband sein soll.

Aufgefallen ist mir die Ankündigung des Romans Zerstreuung von Lauri Kubuitsile, in dem es um die in Deutschland wohl wenig bekannte Geschichte des Konzentrationslagers Lüderitz am Beginn des vorigen Jahrhunderts geht, die aus der Sicht von zwei Frauen erzählt wird. Wird es weitere Romane geben, die die ehemaligen deutschen Kolonien thematisieren?

Die literarische Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte ist uns in der Tat wichtig, wir werden aber in zukünftigen Verlagsprogrammen keinen Fokus darauf setzen. Der Bezug von Zerstreuung zur deutschen Geschichte und noch dazu zu einem Kapitel, das oft wenig Beachtung findet, macht es in unseren Augen zu einem besonders für das deutsche Lesepublikum wichtigen Buch.

Den Podcast New Daughters of Africa gibt es auch noch. Was hat es damit auf sich?

Während des Lockdowns haben wir uns über Formate Gedanken gemacht, die auch ohne das physische Zusammenkommen von Menschen funktionieren. Der Podcast schien uns das optimale Medium zu sein. Der New Daughters of Africa Podcast ist eine Hommage an die bahnbrechenden von Margaret Busby herausgegebenen Anthologien Daughters of Africa (1992) und New Daughters of Africa (2018), die jeweils ca. 200 Texte aus den Federn von Frauen aus Afrika und der Diaspora versammeln.
Gastgeberin ist Panashe Chigumadzi, selbst eine der „New Daughters“, die spannende Gespräche mit der Herausgeberin und Autorinnen der Anthologie führt. Die Themen sind breit gefächert, von persönlichen Inspirationen, über Schreibprozesse, aber auch globale Zusammenhänge, Frauenfiguren und Frauenbilder und nicht zuletzt Empowerment. Hören kann man ihn überall, wo es Podcasts gibt.

Nochmal zum African Book Festival, das in diesem Jahr vom 26. bis zum 28. August stattfindet – und das ich nur sehr empfehlen kann! Was ist diesmal geplant?

Der diesjährige Kurator Lidudumalingani, Autor, Fotograf und Filmemacher aus Südafrika, hat unter dem Motto „Yesterday.Today.Tomorrow“ ein Programm zusammengestellt, in dem es um die generationenübergreifenden Verbindungen zwischen Schreibenden geht. Passend dazu ist die Headlinerin in diesem Jahr Margaret Busby, die genau dies eindrucksvoll aufzeigt: Die Verbindungen über Jahrhunderte, Kontinente, Sprachräume und Genres hinweg.


Durch die Expertise des Kurators ergibt sich ein Schwerpunkt auf südafrikanischer Literatur, es sind aber auch Literaturschaffende aus anderen Ländern mit dabei. Die Besucher*innen erwartet ein buntes Programm aus Book Specials, Round Tables, einer Poetry Night, kurzen Tête-à-Têtes mit den Autor*innen, ein Konzert, eine performative Lesung mit Olivia Wenzel und vieles mehr. Am Festivalsonntag gibt es zusätzlich das Family Day Programm mit vielen Aktivitäten für Kinder und Eltern.

Noch bevor er erschienen ist, ist schon ein Titel aus eurem ersten Programm, nämlich Blackass des nigerianischen Autors A. Igoni Barrett – übersetzt von dir –, als Kandidat der Hotlist ausgewählt worden! Herzlichen Glückwunsch! Das ist schon mal ein guter Anfang. Wie wird es weitergehen?

Ich kann es gar nicht so richtig glauben, aber ich freue mich riesig über die Nominierung. Ich hoffe, Blackass kann die Jury ebenso für sich gewinnen, wie mich damals, als ich es zum ersten Mal gelesen habe.

Im nächsten Jahr werden wir die Übersetzung von Fred Khumalos Roman Dancing the Death Drill veröffentlichen, der während des Ersten Weltkriegs spielt. Novuyo Rosa Tshumas House of Stone, das sich schlichtweg nicht kurz umreißen lässt. Der dritte Roman ist The Actual True Story of Ahmad and Zarga von Mohamedou Ould Slahi, dem Autor der Guantánamo-Tagebücher, der die Leser*innen mitnimmt in ein Leben in der Wüste im Einklang mit der unwirtlichen Natur, das durch den Kolonialismus und Klimawandel bedroht wird.

Dank an Doris Hermanns und Venice Trommer vom InterKontinental Verlag!

Wir freuen uns über eine Unterstützung unserer Autor:innen!

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s