
Dieser Roman ist eine Entdeckung: Intelligent und unterhaltsam und – vor allem – im Zentrum steht eine ungewöhnliche Frauenfigur. Zwei in Italien von Juliane Kay erschien bereits 1957. Die österreichische Autorin war Ende fünfzig, vier Jahre zuvor war ihr ein Bundesfilmpreis verliehen worden als beste Drehbuchschreiberin für die erfolgreiche Ehekomödie Vergiss die Liebe nicht. Am Ende des Filmes kehrt die vernachlässigte, aufmüpfige Ehefrau und Mutter brav wieder in die Familie zurück. Kay war eine versierte, eine erfahrene Autorin; in der Jugend stand sie als Schauspielerin auf der Bühne, begann dann – erfolgreiche – Theaterstücke, später Filmdrehbücher zu schreiben. In den 1960er-Jahren endete ihre Karriere, obwohl sie noch eine Reihe Romane veröffentlichte, die ihr jedoch keine besondere Aufmerksamkeit mehr einbrachten. Heute ist sie vergessen. Der Milena Verlag aus Wien ist daher gar nicht genug zu loben, dass er Zwei in Italien wieder herausgebracht hat, mit einem kundigen Nachwort der Literaturwissenschaftlerin Veronika Hofeneder.
Ein Reiseroman: Zwei Menschen machen eine Autofahrt nach Rom. Beide sind nicht mehr ganz jung, sie ist Innenarchitektin, er ist Architekt – und das Besondere: Sie sind kein Paar, sie sind befreundet und arbeiten gerne zusammen. Beide sind gerade Single und haben die Liebe mit all ihren Kompromissen und Verrenkungen satt, deswegen fragt er die Freundin, ob sie ihn nach Rom begleiten wolle. Keine erotische Absicht stecke dahinter. Er möchte nicht alleine fahren, sondern mit ihr eine harmonische Zeit verbringen. Er freut sich darauf, ihr ein kundiger Reiseführer zu sein. Und für sie wird ein Traum wahr. Italien!
Nur am Rande geht es um die Frage, ob es denn schicklich sei für eine Frau und einen Mann, gemeinsam zu reisen, wenn man nicht verheiratet ist. Man schreibt die 1950er-Jahre, in denen auch der Währungstransfer noch kompliziert war, man durfte nicht beliebig viel Geld aus- und einführen. Das spielt hier eine Rolle, denn in Italien soll er einen größeren Geldbetrag abholen, und da fängt es dann an, schwierig zu werden: Er bekommt das Geld nicht, die Bürokratie ist grenzenlos, er muss also von ihrem Geld leben und warten.
Das Ungewöhnliche an dieser heiter erzählten Geschichte ist die namenlose Erzählerin. Sie ist eine beeindruckend kluge Person, die auf das Imponiergehabe und die Verhaltensweisen der Männer mit scharfem Blick schaut.
Er spielte großartig Theater. Die Stimme tönte mit allen Glocken; die Haltung des Kopfes, die Gesten der Hände waren klassisch schön. (…) Männer!, dachte ich. So waren sie nun einmal, sie konnten nicht anders. Sie kränkten Frauen, fühlten sich schuldbewusst, warfen den Frauen vor, dass sie sich schuldbewusst fühlten, und drehten den Spieß der Kränkung um. Nicht sie hatten gekränkt, sie waren gekränkt worden!
Es sind jedoch nicht nur die Männer, denen die genaue Betrachtung der Autorin gilt, sie denkt auch über dümmliches weibliches Verhalten nach, über das Älterwerden und vor allem über das Liebesgetue. In den Fünfzigern war es denn auch ziemlich ungewöhnlich, dass die Heldin, als ihr Freund mit einer besonders blöden Frau flirtet, sich absetzt, um alleine und trinkfest in eine Bar zu gehen. Dort lernt sie einen berühmten Filmschauspieler kennen, mit dem sie dann die weitere Nacht verbringt. Die Erzählerin ist eine emanzipierte, eine selbstständig denkende und handelnde Frau – in einer Zeit, in der die Frauen doch besser folgsame und brave Hausfrauen zu sein hatten. Dass Juliane Kay eine routinierte Drehbuchautorin war, das merkt man an diesem rasant erzählten Roman, der punktgenaue Dialoge hat. Und: In Corona-Zeiten, in denen das Reisen nicht gerade einfacher wird, begleitet man die beiden besonders gerne auf ihrer Fahrt, staunt mit ihnen über die Spuren der römischen Geschichte – und blickt auf der Via Appia mit der Heldin in die Sterne.
Dank an Manuela Reichart
- Juliane Kay: Zwei in Italien. Roman. Mit einem Nachwort von Veronika Hofeneder. Wien: Milena Verlag 2021. 174 Seiten, Hardcover. 23 Euro