Aus der Bestenliste „Weltempfänger” – Belletristik aus Afrika, Asien und Lateinamerika (Sommer 2014) stellt der Hotlistblog heute und morgen eine kleine Auswahl vor: vier Bücher aus Paraguay, Mosambik und Korea.
„Ich habe immer noch keine Art gefunden, mich selbst zu übersetzen.” – Jorge Kanese
„Jorge Kanese, der Autor aus dem Dreiländereck von Brasilien, Argentinien und Paraguay, hat eine neue Sprache erfunden: Spanugiesisch. Seine Gedichte sind eine volkstümliche und zugleich artifizielle Revolte gegen die normierende Macht der Nationalkulturen. Dass sie jetzt auf Deutsch zu lesen sind, für diese Kühnheit kann man den Übersetzer Léonce W. Lupette und den Verlag Luxbooks gar nicht genug rühmen.”
– Karl-Markus Gauß
Jorge Kanese, Die Freuden der Hölle [Paraguay]
„Jorge Kanese mischt und deformiert Spanisch, Guaraní, Portugiesisch, erfindet Sprachen. Dem paraguayischen Lyriker geht es mit sich und mit den Texten so, wie es der Sprache in ihnen geht: Es ist ein Verhältnis der Selbstfremdheit, der Entfremdung. Es sind Gedichte, die trotz aller scheinbaren Souveränität nicht über all den Schmerz, die Zerrissenheit und die Ohnmacht hinwegtäuschen wollen, die ihnen vorausgehen, entgegenstehen, und die ihn ihnen auf die unterschiedlichsten Weisen mitsprechen. Das ständige Hinterfragen und Unterlaufen von Grenzen, Institutionen, Instanzen, das Beharren auf der Brüchigkeit von Identität, Sinn und Bedeutung mündet aber nicht in das Zelebrieren von Irrationalität und Unvernunft. In der Betonung der eigenen Beschädigungen und Aporien öffnet sich die lebensbejahrende Lust des Individuums an der Sprache, die all dies erst zugänglich macht.
Mit Die Freuden der Hölle liegt erstmals eine Auswahl des derzeit wichtigsten Lyrikers Paraguays vor, einem Vorreiter der sprachmischenden Literatur aus dem Dreiländereck Paraguay-Brasilien-Argentinien.
Léonce W. Lupette hat für die Übersetzung dieser Gedichte ebenfalls eine Mischsprache erfunden (Deutsch-Türkisch) und sie mit Kommentar und ausführlichem Nachwort versehen.”
(Text: luxbooks)
Jorge Kanese, Die Freuden der Hölle. Ausgewählte Gedichte. Zweisprachig. Übersetzt und herausgegeben von Léonce W. Lupette. 200 Seiten, Englische Broschur. luxbooks, Wiesbaden 2014. 24,80 Euro (Reihe luxbooks.latin)
Mia Couto, Jesusalem [Mosambik]
„Nach einem Bürger- und Kolonialkrieg zieht ein Vater mit zwei Söhnen in eine unbewohnte Gegend und wartet dort auf einen kommenden Gott, den er für die Verbrechen verantwortlich machen kann. Über seine Schrumpffamilie herrscht er wie ein Tyrann. Er baut eine Parallelwelt auf, unbewohnbar wie der Mond. Ein Roman mit überraschenden Wendepunkten. Quer, erschütternd, brillant.” – Ruthard Stäblein
„„Jesusalem” – jenseits von Jesus, der Ort, an dem sich Jesus irgendwann vom Kreuz befreien und Gott um Vergebung bitten würde – so hat Silvestre Vitalício das verlassene Jagdcamp fernab der Zivilisation getauft, in das er sich mit seinen Söhnen Mwanito, Ntunzi und dem Ex-Soldaten Zacaria Kalash zurückgezogen hat.
Das einzige weibliche Wesen dort ist die Eselin Jezibela.
Silvestre will die Welt vergessen, in der er offenbar Unerträgliches erlebt hat. Er verbietet seinen Söhnen jegliche Erinnerung, selbst Träume sollen sie unterdrücken. Das Camp soll eine neue, die einzige Welt sein.
Erzählt wird die Geschichte von dem 11-jährigen Mwanito, der keine Erinnerung an seine Mutter hat. Seine Wahrnehmung ist märchenhaft, die Tabus des abgeschlossenen Lebens füllt er mit Visionen und Verwandlungen. Er hat die Begabung zu schweigen, die ihn seinem Vater genehm macht, ihn aber auch dazu befähigt, sich im Geheimen zu entwickeln.
Die Ankunft einer weißen Frau bringt das Gefüge ins Schwanken. Die Jungen sind fasziniert. Das Zerbrechen des Kokons setzt den Willen zur Rekonstruktion ihrer Geschichte frei. Die Vergangenheit bricht ein in die Gegenwart und lässt Silvestre verzweifeln. Für seine Söhne bedeutet die Konfrontation mit einer Geschichte von Gewalt und Versagen jedoch auch Befreiung. Das Drama der Familie ist aber nicht nur ein privates – die Zeit des Bürgerkriegs in Mosambik ist atmosphärisch im Hintergrund spürbar.”
(Text: Verlag Das Wunderhorn)
Mia Couto, Jesusalem. Roman. Herausgegeben von Indra Wussow. Aus dem Portugiesischen (Mosambik) übersetzt von Karin von Schweder-Schreiner. 216 Seiten, gebunden. Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2014. 24,80 Euro. (Reihe AfrikAWunderhorn)
Zum Preis von 16,99 Euro auch als E-Book erhältlich
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