In unseren Zeiten, in denen das Geschäft mit Ratgeberliteratur blüht, ist es eine hervorragende Idee, wenn ein Verlag ein Handbuch der Ratlosigkeit publiziert. Der Limmat Verlag hat dies – unter der Herausgeberschaft von Elfriede Czurda, Friederike Kretzen und Suzann-Viola Renninger – getan und damit einen Nerv getroffen. Denn das ganze Gesums von Selbstcoaching und -optimierung ist ja nur ein panischer Ausdruck dafür, dass niemand weiß, wo ihm der Kopf steht.
Die Krisenhaftigkeit der Lage, deren Eingeständnis auch etwas Beruhigendes hat, wird von Farbe und Material des Einbands auf ironische, schillernde Weise interpretiert: Das Buch ist in feines schwarzes Sandpapier geschlagen. Es liegt rauh in der Hand – ein einzigartiges Gefühl – und glitzert tröstlich. Ein Glitzern freilich, das so wenig Hilfe anbietet wie die schimmernden Sterne in der unerreichbaren eisigen Ferne des Alls. Formidabel! / mr
„War es nicht eben noch so einfach? Wo ist nur die Ordnung geblieben? Doch welche Ordnung war da gleich? Guter Rat ist teuer, die Ratlosigkeit gross.
37 Autorinnen und Autoren ergreifen die Flucht nach vorn, stürzen sich mit Lust in die Unordnung, ins Unbekannte, Unbenannte. Sie jonglieren mit Borges’ „Chinesischer Enzyklopädie” , vertiefen sich in „Begriffe, die von weitem wie Fliegen aussehen” , in „herrenlose Muster” und in „Wörter, die dem Autor gehören”, überschreiben die alte Enzyklopädie „mit einem ganz kleinen Pinsel aus Kamelhaar” zu einem Palimpsest jener Ordnung, die in unseren Augen keine ist, die aber in Wahrheit nur auf den grossen Zusammenhang verzichtet.
Wer sich auf Das Handbuch der Ratlosigkeit einlässt, begibt sich in „zusammenkrachende Möglichkeitsräume”. Denn „hier schwankts” – wie in der Restwelt auch.”
(Text: Limmat Verlag)
Mit Texten von Jochen A. Bär, Anton Bruhin, Ann Cotten, Franz Josef Czernin, Elfriede Czurda, Dorothea Dieckmann, Franz Dodel, Oswald Egger, Dorothee Elmiger, Elke Erb, Michael Fehr, Eleonore Frey, Hans-Jost Frey, Zsuzsanna Gahse, Bodo Hell, Norbert Hummelt, Felix Philipp Ingold, Hanna Johansen, Barbara Köhler, Margret Kreidl, Friederike Kretzen, Ludger Lütkehaus, Klaus Merz, Walter Morgenthaler, Erica Pedretti, Sabine Peters, Suzann-Viola Renninger, Beat Schläpfer, Hannes Schüpbach, Farhad Showghi, Christian Steinbacher, Yoko Tawada, Christina Viragh, Peter Waterhouse, Uwe Wirth, Sandro Zanetti, Martin Zingg
Die Herausgeberinnen
Elfriede Czurda, geboren 1946, lebt als Schriftstellerin in Wien. 2011 erschien ihr Werk dunkelziffer in der Edition Korrespondenzen.
Friederike Kretzen, geboren 1956, lebt als Schriftstellerin und Dozentin in Basel. 2012 erschien von ihr Natascha, Véronique und Paul im Stroemfeld Verlag.
Suzann-Viola Renninger, geboren 1962, ist Philosophin und lehrt an der Universität Zürich.
Bibliographische Angaben
Elfriede Czurda / Friederike Kretzen / Suzann-Viola Renninger (Hgg.), Handbuch der Ratlosigkeit. 160 Seiten, Broschur mit Sandpapiereinband. Limmat Verlag, Zürich 2014. 22,80 Euro