Dies Buch passt natürlich hervorragend in das Programm des in Berlin ansässigen deutsch-polnischen Verlags edition.fotoTAPETA, der für seine Internetadresse die Kennung .eu gewählt hat, was die weite Stirn bereits im Äußeren herausstellt. In Zeiten, in denen der eigene Kirchturm als das Nonplusultra gilt und um die kleinsten Blumenbeete Nationalstaatsgrenzen gezogen werden, sei das immerhin lobend angemerkt. / mr
„Das ist das Buch einer Rückkehr. Nach fast 24 Jahren im argentinischen Exil verbringt Witold Gombrowicz 1963 ein Jahr in Berlin, in West-Berlin. Und natürlich ist alles anders, und doch kehrt Gombrowicz, „ich, der Europäer“, zurück – in eine europäische Stadt, in dieses Berlin, wo „die Idylle einher ging mit einer gewissen Scheußlichkeit, bei der man sich fragen konnte, ob sie von heute oder von gestern war“. Überhaupt scheinen seine Beobachtungen, heute wieder gelesen, eigentümlich zeitgemäß: „Wie europäisch sie sind, ruhig und ungezwungen, keine Spur von Chauvinismus oder Nationalismus, weite, weltoffene Horizonte, ja, das war die modernste Jugend, die ich je gesehen hatte …“”
(Text: edition.fotoTAPETA)
Witold Gombrowicz, geboren 1904 in Maloszyce, seinerzeit Russland, gestorben 1969 im französischen Vence, einer der bedeutendsten polnischen Schriftsteller des vergangenen Jahrhunderts, blieb nach 1939 im Exil in Argentinien. Im Jahr 1963 kehrte Gombrowicz nach Europa zurück und verbrachte ein Jahr in Berlin. Zu seinen wichtigsten Werken zählen Ferdydurke (1938), Trans-Atlantik (1953), Pornographie (1960) sowie sein umfangreiches Tagebuch 1953 – 1969.
Leider hält sein Hausverlag Hanser keine Umschlagabbildungen bereit und gibt sich auch sonst wenig auskunftsfreudig, so als hätte er kein Interesse an seinem Autor und an der Verbreitung seines Werkes – ein Zeichen für Sattheit und Schnuppigkeit. Über die 1064 Seiten des Tagebuchs heißt es z. B. schmallippig und banal: „Das Tagebuch von Gombrowicz ist ein wahrer Steinbruch an Ideen. Mit Canettis Aufzeichnungen und Gides Tagebüchern gehört es zu den bedeutendsten Beispielen dieses Genres.”
Besser wäre es gewesen, zu schweigen.
Anyway, die edition.fotoTAPETA hat es besser gemacht, und so ist es richtig.
Olaf Kühl, geboren 1955, Autor, Übersetzer, Politikberater. Gombrowicz seit den 80er Jahren verfallen. Sein neuer Roman Der wahre Sohn (Rowohlt Berlin, 2013) wurde für den Deutschen Buchpreis nominiert.
- Witold Gombrowicz, Berliner Notizen. Aus dem Polnischen und mit einem Vorwort versehen von Olaf Kühl. 128 Seiten, Leinen mit Schutzumschlag. 13 x 21,5 cm. edition.fotoTAPETA, Berlin 2013. 16,80 Euro