Beim Picus Verlag klopft der Specht (Picus, lat. Gattung von Spechten) vor sich hin, klopft und klopft, bis auch das Lesepublikum es hört: Hier gibt es ein beachtenswertes, vielfältiges und unabhängiges Verlagsprogramm zu entdecken. Picus wurde bereits 1984 in Wien von Dorothea Löcker und Alexander Potyka gegründet und blickt heute auf über neunhundert Bücher zurück, ca. vierzig Neuerscheinungen pro Jahr. Zum 30. Verlagsjubiläum sind das stattliche Zahlen. Die Frühjahrsauswahl umfasst Titel aus den Bereichen Literatur, Lesereisen, Reportagen, Sachbuch und Kinderbuch. „Gemeinsam sind dem weit gefächerten Programm ein aufklärerischer Impetus, Weltoffenheit, die Idee des Grenzüberschreitenden und intellektuelles Engagement, aber auch Sinn für Ästhetik und Lebenslust,“ heißt es in der Verlagslinie.
Als Spitzentitel und Debüt der Narzissensaison angekündigt ist der skurrile Roman Das Fell der Tante Meri der sehr jungen österreichischen Autorin Theodora Bauer (geb. 1990 in Wien). Mit ihrer charmanten, dialektfreudigen Lesung aus dem Buch gewinnt sie den diesjährigen Publikumspreis beim zehnten Internationalen Literaturfestival WORTSPIELE in Wien. Bauer ist die Freitagssiegerin der letzten Woche – und überhaupt der glückliche und seltene Fall in der Verlagsbranche, wo ein eingereichtes Manuskript flugs zum aparten Buch wurde. Die Lust am Schreiben, das Unverbrauchte und Unvoreingenommene der Autorin sind spürbar. Ebenso beherzt wie einfühlsam beleuchtet sie mit ihrer Geschichte selbst dunkelste Kapitel der österreichischen Vergangenheit, die NS-Zeit, deren Aufarbeitung noch immer im Gange ist. Nicht umsonst spannt sie ihren Erzählbogen bis in die 80er-Jahre, als ein Ruck dahingehend durch das Land ging.
Eine Mutter mit Vorleben, ein Vater mit Nachleben und mittendrin eine unnahbare Tante – und über allem schwebt ein großes Mysterium
„Ferdl Meiningers Leben ist voller ungelöster Rätsel und geheimnisvoller Begebenheiten. Als seine Tante Meri stirbt, erbt er ihr gesamtes Hab und Gut. Ferdinand ist überzeugt, dass Tante Meri keines natürlichen Todes gestorben ist. Als im Dorf eine faszinierende Chilenin eintrifft, die auch auf Tante Meris Begräbnis erscheint, beginnt es in Ferdinand zu arbeiten. Er denkt an seine Mutter Anni und deren Beziehung zu Tante Meri. Und an seinen Vater, der der Legende nach im Krieg gefallen ist. Wie war es wirklich? Und was hatte Tante Meri damit zu tun? Und was Karl Müller, der zweimal auf zwei Kontinenten starb und der ebenso wie Ferdinands Mutter in einer seltsamen Abhängigkeit zu Tante Meri stand?
In drei Erzählsträngen, die zwischen den letzten Kriegsjahren und den achtziger Jahren angesiedelt sind, entwickelt Theodora Bauer ihr eindrucksvolles Debüt. Sie versteht es, Leben in Geschichte und Geschichte in Persönliches zu bringen – und vor allem, eine atemlose Spannung im Leser aufzubauen.“ (Text: Picus Verlag 2014)
- Theodora Bauer: Das Fell der Tante Meri. Wien: Picus Verlag 2014. 200 Seiten. 19,90 Euro.