Kurzvita des Open House Verlags
Der Open House Verlag wurde 2011 von Christiane Lang und Rainer Höltschl in Leipzig gegründet. Die Türen des Verlags-Logos stehen weit offen. Wofür? Für unterschiedliche Weltanschauungen, für junge, ungewöhnliche deutsche und internationale Gegenwartsliteratur (in der Reihe 1). Und für Sachbücher aus Kultur, Politik und Geschichte, die aktuelle Themen klug und verständlich aufgreifen (Reihe seismograph).
Das Spektrum reicht von außergewöhnlich emotionaler Literatur aus Norwegen – Ingvild H. Rishøi mit ihren von Kritikern und Bloggern in Norwegen preisgekrönten und in die deutsche Hotlist 2016 aufgenommenen Winternovellen und Pedro Carmona-Alvarez (Norw. Romanpreis) –, den Gegenwartsdiagnosen von Babet Mader, über den philosophischen Roman Mirovia von Poljak Wlassowetz bis hin zu den furiosen Geschichten der New Yorkerin Paula Bomer (Baby, Neun Monate).
In diesem Herbst stehen die Winternovellen von Ingvild H. Rishøi im Mittelpunkt, mit ihrem Auftritt bei der Hotlist-Veranstaltung am Buchmesse-Freitag im Literaturhaus Frankfurt. Dann erscheint ein neuer Erzählungen-Band von Paula Bomer, Madeleine, über junge heranwachsende Frauen. Und James A. Grymes schildert in seinem Sachbuch das Schicksal von sieben Geigen und ihren jüdischen Musikern während des Holocausts. Ausgehend vom Geigenbauer Amnon Weinstein, der seit den 1990er-Jahren in Tel Aviv die Instrumente zu neuem Glanz und Leben erweckt.
Warum haben Sie sich entschieden, den Roman Winternovellen von Ingvild H. Rishøi bei der Hotlist 2016 einzureichen? Was könnte ihn zum beispielhaftesten Buch aus unabhängigen deutschsprachigen Verlagen machen?
Das Buch ist ein Glücksfall, wie ihn ein Verlag nicht oft erlebt. Eine wunderbar sensible, taktvoll und präzise mit Aussparungen schreibende Autorin, bisher nicht ins Deutsche übersetzt. Ein Buch mit zeitgenössischen und zugleich ewigen Themen: Armut, Unsicherheit, Einsamkeit vor der Glitzerfassade des Wohlstands, aber auch das einfache Glück, das Kinder schenken – und die Chance, sein Leben zu ändern. Märchenhafte Elemente und moderne, ganz selbstverständlich eingearbeitete Erzähltechniken. Dann die junge Übersetzerin Daniela Syczek, die die fragile Rhythmik des Erzähltons traf, und die auch ganz junge Buchgestalterin Annalena Weber, mit der zusammen das Team im Verlag einen zurückhaltend schönen Leineneinband entworfen hat. Ein Buch, das berührt und lange nachwirkt.

Was ist das Besondere an Ihrem Verlagsprogramm, an Ihrer Philosophie?
Wir präsentieren zeitgenössische Belletristik, deutschsprachig und international (bisher Norwegen und USA), vor allem Prosa, meist mit jungen Autoren. Ost und West, Frauen und Männer ungefähr gleich vertreten. Für alle Autoren und Autorinnen waren das zuerst Debüts oder die erste Übersetzung ins Deutsche. Das ist nicht ohne Risiko und wir machen das auch nur, wenn wir von den Autoren wirklich überzeugt sind. Denn wir begleiten sie ja weiter und veröffentlichen auch ihre nächsten Bücher.
Im Sachbuch ist der Zeithorizont, in dem die Themen angesiedelt offen, aber es soll immer der Bezug zu aktuellen Themen sichtbar sein: Wir sind gestartet mit einem Buch über die gesellschaftlichen Auswirkungen des Internets (v.a. der Kommunikation über Bild-Ton-Medien wie Skype), bringen jetzt im Herbst ein Buch über Musik im Holocaust und nächstes Jahr eine großartige Biografie über Arthur Rimbaud, die das Zusammenspiel von europäischer und arabischer Moderne mitdenkt.
Was bedeutet für Sie unabhängiges Verlegen? Darf es weitergehen wie bisher?
Als unabhängiges Verlags-Team hat man die Möglichkeit, ungewöhnliche, überraschende, manchmal auch widersprüchliche Projekte umzusetzen. Alle Bücher sind mit viel Liebe gemacht, dafür müssen wir unsere ganze Person, alle Fähigkeiten und Leidenschaften einsetzen, auch um unseren Büchern und Autoren die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen – das hält uns lebendig und verleiht dem Programm eines unabhängigen Verlags einen ganz persönlichen Reiz.
Wir freuen uns natürlich, wenn möglichst viele unsere Bücher lesen und unsere Liebe zu ihnen teilen.
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Zur Besprechung von Winternovellen siehe Hotlistlesen (3).
Wir danken den Verlegern für Rede und Antwort und wünschen dem Verlag alles Gute!
(Senta Wagner)