So viel Energie hieß (und heißt immer noch) ein AvivA-Buch von Hanna Gagel über „Künstlerinnen in der dritten Lebensphase”; es liegt mittlerweile in vierter Auflage vor. Mehr dazu weiter unten.
Der hier vorgestellte Titel So viel Fantasie lehnt sich natürlich an den vorgenannten Titel an.
Die Fantasie schließt die Energie dabei keineswegs aus. Ingeborg Gleichauf zeigt dies am Beispiel folgender Schriftstellerinnen:
Ilse Aichinger, Djuna Barnes, Simone de Beauvoir, Maria Beig, Maja Beutler, Kerstin Ekman, Marieluise Fleißer, Patricia Highsmith, Marie Luise Kaschnitz, Sarah Kirsch, Else Lasker-Schüler, Friederike Mayröcker, Alice Munro, Gerlind Reinshagen und Christa Wolf.
„Sie irritieren und befremden. Sie sind subversiv. Im dichterischen Gestalten der Fantasie gehen die in diesem Buch porträtierten Schriftstellerinnen bis an die Grenzen, auch und gerade im Alter. Sie sind auf der Höhe ihrer Kunst angekommen.
Alice Munro erhielt mit 82 Jahren den Nobelpreis für Literatur. Simone de Beauvoir und Christa Wolf waren engagierte Schriftstellerinnen, die sich bis zu ihrem Tod mit gesellschaftlichen und politischen Problemen wach und klug auseinandergesetzt haben. Die kriminelle Abgründigkeit, die Patricia Highsmith ihren Figuren normalerweise zuschrieb, wandelte sich mit zunehmendem Alter in einen Aspekt der Sehnsucht nach Harmonie. Und Friederike Mayröcker hat auch mit 90 Jahren noch eine überbordende poetische Kraft.
Schonungslos, humorvoll, kritisch. Mit dem Älterwerden gehen sie unterschiedlich um, doch keine wird sentimental, keine lamentiert. Sie machen sich nichts vor, arbeiten mit höchster Konzentration und erschaffen sich ihre Wirklichkeit mit Hilfe der Sprache.
Sie haben sich permanent und konsequent weiterentwickelt, haben neue Facetten entdeckt und ihre Horizonte erweitert – und bleiben sich treu.”
(Text: AvivA Verlag)
Hier eine Leseprobe.
Ingeborg Gleichauf, 1953 geboren, studierte Germanistik und Philosophie. Dissertation über Ingeborg Bachmann. Drei Töchter. Lebt in Freiburg. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. über Hannah Arendt, Simone de Beauvoir oder Max Frisch. Zuletzt veröffentlichte sie Ingeborg Bachmann und Max Frisch. Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (Piper, 2. Aufl. 2015).
Im folgenden auch der Hinweis auf das ‚Schwester‘-Buch aus der Backlist.
„Käthe Kollwitz schuf ihre berühmte ‚Pietà’ erst im Alter von 70 Jahren und Louise Bourgeois war bereits 88, als ihre gigantische Installation ‚Maman’ die Londoner in der Tate Modern begeisterte. Wie viel Kreativität und künstlerisches Potential in den späten Jahren steckt, zeigen sechzehn exemplarische Portraits von Malerinnen und Bildhauerinnen jenseits der 50.
Gerade in der um 50 einsetzenden dritten Lebensphase sind viele bedeutende Werke von Künstlerinnen entstanden. Zum ersten Mal beleuchtet die Zürcher Kunstwissenschaftlerin Hanna Gagel dieses Phänomen der späten Schaffenskraft. Beispiele intensiver Kreativität und Produktivität, von Marianne Werefkin bis Niki de Saint Phalle, machen das Potential der späten Jahre, das ‚late life potential‘, deutlich. Neben überzeugend positiven Gegenakzenten zum ungeliebten Bild des Alterns erweitert der Blick auf ihre facettenreichen Spätwerke das Oeuvre der Künstlerinnen um überraschende Aspekte.
Porträtiert werden Marianne Werefkin, Käthe Kollwitz, Helen Dahm, Sonia Delaunay, Hannah Höch, Georgia O’Keeffe, Louise Nevelson, Alice Neel, Lee Krasner, Louise Bourgeois, Meret Oppenheim, Verena Loewensberg, Agnes Martin, Maria Lassnig, Magdalena Abakanowicz und Niki de Saint Phalle.”
(Text: AvivA Verlag)
„Hanna Gagel ist hier nicht nur eine vielschichtige Darstellung wichtiger Künstlerpersönlichkeiten geglückt, sondern es gelingt ihr auch, dem Alter seine negative, dunkle, bedrohliche Seite zu nehmen und an diese Stelle ein Licht der Vitalität und Kraft zu setzen.”
Carola Thurow, Miss Tilly
Ingeborg Gleichauf, So viel Fantasie. Schriftstellerinnen in der dritten Lebensphase. 240 Seiten, gebunden. 21 x 12 cm. AvivA Verlag, Berlin 2015. 19,90 Euro
Hanna Gagel, So viel Energie. Künstlerinnen in der dritten Lebensphase.
268 Seiten, gebunden, fadengeheftet. 23 x 16,5 cm. AvivA Verlag, Berlin 2013
(4. Auflage). 29,80 Euro
Habe vor ein paar Wochen die großartige Patti Smith in einem Konzert erlebt. Mitte/Ende 60, klein, zierlich, zerbrechlich mit einer Stimme, die Himmel und Erde in Bewegung setzt und die Masse zum Toben brachte, nach nur 10 Minuten ein Hexenkessel. Unglaublich. Das sind die wahren Urmütter, die aus irgendeinem mysteriösen Quell ihre unerschöpfliche Energie beziehen.
Ah, ich hatte von ihren Auftritten aus Anlass des 40-jährigen Jubiläums von Horses gelesen. – Energie ist ja auch unerschöpflich … Das Rätsel besteht darin, dass jemand wie PS sie bei Bedarf abrufen und auf die Bühne zaubern kann (und das ganze Publikum damit elektrisiert). – Ich erlebte mal einen Auftritt von Cecil Taylor und hatte da auch das Empfinden, einem Kraftwerk bei der Arbeit zuzusehen, so leicht schien alle Bewegung. (mr)