Heute ein Roman, der
im letzten Winter – im
März dieses Jahres – erschienen ist und gut in die Jahreszeit passt.
Wir kennen uns nicht persönlich, der Roman und ich, aber die eisblaue Schrift und das konturlose Eisbärenfell ergeben einen klirrenden Akkord, der mich gefangennimmt. / mr
Yoko Tawada, Etüden im Schnee
„Drei Eisbären, Großmutter, Mutter und Sohn, erzählen ihre Geschichte. Sie sind Migranten, die Älteste lebte in Moskau und emigrierte nach Westdeutschland und dann nach Kanada, ihre Tochter kommt von dort in die DDR und arbeitete im Zirkus und deren Sohn wird im Berliner Zoo geboren – inzwischen ist der Mauerfall schon lange her – und auf der ganzen Welt bekannt.
In Yoko Tawadas Texten gehen Traumebenen und Realität vergnügt ineinander über. Kleine Details beleuchten scheinbar Selbstverständliches aus unserem Alltag in neuem Licht. Mythen aus verschiedenen Teilen der Welt – zum Beispiel, dass Bären Seelen von Menschen rauben – werden ebenso lebendig wie zeithistorische Realität.
‚Die glänzende, weiße Farbe meines Fells unterschied sich vom gewöhnlichen Weiß. Sie war durchlässig. So konnte das Sonnenlicht durch das Fell meine Haut erreichen, und das Licht wurde sorgfältig unter der Haut aufbewahrt. Das ist die Farbe, die meine Vorfahren erlangten, um im Nordpolarkreis zu überleben.’
Der Roman lässt sich zeitgeschichtlich, politisch und philosophisch lesen. Oder einfach als unterhaltsame Tiergeschichte; als Persiflage auf Migrantenliteratur.”
(Text: konkursbuch Verlag)
„Yoko Tawada beschreibt die Welt so, wie sie aussähe, könnte man gleichzeitig träumen und hellwach sein …” – die tageszeitung
„Der Roman von Yoko Tawada wartet mit einem besonderen Leseerlebnis auf.
Die vielfach preisgekrönte Autorin mit bislang 23 Büchern in Deutschland (zuletzt Mein kleiner Zeh war ein Wort, Konkursbuch, 2013 […]) lässt die Geschichte des im Dezember 2006 im Berliner Zoo geborenen Eisbären Knut, seiner Mutter Toska und seiner Großmutter lebendig werden, erzählt aus Sicht der Tiere, denen jeweils ein Teil des Romans gewidmet ist. Hierbei erschafft die in Berlin lebende Japanerin ein kunstvolles Geflecht verschiedener Erzählebenen, die leichtfüßig ineinander gleiten und die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit, der Tier- und Menschenwelt, verwischen und den Leser in den Bann ziehen. Mit seinen eingeflochtenen Anspielungen auf zeitgenössische politische oder gesellschaftliche Be- und Gegebenheiten, philosophischen Reflexionen sowie Mythen aus der Tier- und Ahnenverehrung, bietet der faszinierende Roman, der nah am wahren Leben der Eisbären orientiert ist, neben der unterhaltsam-bewegenden Tiergeschichte noch weitere Deutungsmöglichkeiten. Für Leser, die außergewöhnliche Bücher mögen.” – Beatrix Szolvik, ekz.bibliotheksservice
Yoko Tawada, Etüden im Schnee. Roman. 320 Seiten, Klappenbroschur, Fadenheftung, einige Bilder. konkursbuch Verlag, Tübingen 2014. 12,90 Euro
Das E-Book ist zum Preis von 8,99 Euro erhältlich.
Außerdem
– Eine Rezension des Romans (und weiterer Bücher der Autorin) ist im Blog Japanische Literatur erschienen. Hier zum Nachlesen.
– Insa Wilke hat das Buch in WDR 3 besprochen, s. hier.
– „Im Meer der Mehrsprachigkeit. ‚Vielleicht sind wir alle zusammen nur ein grosses Tier’ – ein Gespräch mit der japanisch-deutschen Schriftstellerin Yoko Tawada”. Von Daniela Tan. Neue Zürcher Zeitung, 24.11.2012.
text + kritik, Heft 191/192: Yoko Tawada
Wer sich einen Überblick über das umfangreiche Werk Yoko Tawadas verschaffen möchte, kann das nebenstehend abgebildete Heft von text + kritik zu Rate ziehen (s. Inhaltsverzeichnis).
Empfehlenswert auch der schmale Text Das Fremde aus der Dose, der 1992 in der Reihe Essay des Literaturverlags Droschl erschienen ist und viele schöne ’naive‘ Beobachtungen enthält (naiv zu sein ist das Privileg derer, die nicht native sind):
„Es gibt in dieser Stadt viele Frauen, die ein Stück Metall am Ohr tragen. […] Die Stadt scheint mir auf den ersten Blick nicht so gefährlich zu sein. Warum tragen dann aber so viele Frauen einen Talisman auf den Straßen?”
„Stattdessen beobachtete ich die Menschen, die ich auf der Straße sah, so als wären sie vereinzelte Buchstaben. Manchmal setzten sich ein paar Menschen zusammen in ein Café, und so bildeten sie für eine Weile gemeinsam ein Wort. Dann lösten sie sich, um ein neues Wort zu bilden.”
Heinz Ludwig Arnold (Hg.), Yoko Tawada. 172 Seiten, Broschur. 23 x 15 cm.
edition text + kritik, München 2011. 25,00 Euro (= text + kritik, Heft 191/192)
Yoko Tawada, Das Fremde aus der Dose. Essay. 20 Seiten, Englische Broschur.
17,5 x 11,5 cm. Literaturverlag Droschl, Graz 1992. 4,50 Euro (= Reihe Essay, Bd. 10)