Sage einer nicht, der literarische Nachwuchs, gehegt bei kleinen Literaturverlagen, werde nicht entdeckt und gewürdigt. Der österreichische Reinhard-Priessnitz-Preis tut genau dies, und zwar jährlich seit 1994. In den vergangenen Oktobertagen ging er nun an den Schriftsteller Robert Prosser (geb. 1983). Prosser ist einer, der in die Welt geht, der genau hinschaut, der reflektiert, der fragt, der recherchiert – einer, dem seine abenteuerlichen (auch politischen) Stoffe nicht ausgehen. Prossers Debüt Strom bekam eigens den Untertitel „Ausufernde Prosa“ angehängt, sein Sprachfuror zieht sich seitdem durch alle seine Werke. Tatsächlich sind es genau drei, die bisher regelmäßig im Klever Verlag erschienen sind und jetzt der Reihe nach, chronologisch absteigend, in die Auslage kommen.
„Robert Prosser schafft mit Elementen des Hip-Hop, der Wiener Avantgarde und Beat-Literatur eine eigene originelle und hochartifizielle Prosa, die in ihrer überbordenden Sprachlust, in ihrer Rasanz, Spontanität und strengen Rhythmik gleichermaßen reflektiert wie poetisch Figuren, Alltagsereignissen und den Besonderheiten heimischer und fremder Kulturen auf suggestive Weise eine unmittelbare Präsenz verleiht“, begründete die diesjährige Jury (Gustav Ernst und Robert Schindel) ihre Wahl.
„Geister und Tattoos führt in die Wälder des armenischen Kaukasus. Eine abgelegene Siedlung wagt es, ungeachtet ihrer vom Krieg geprägten Vergangenheit, in archaischer Freiheit zu leben. In der Einsamkeit wächst eine Gemeinschaft heran, die von Vertrauen und Lügen gleichermaßen geeint wird.
Tätowierungen besitzen hier magische Kräfte und als Flucht vor der Erinnerung nützt man Rausch und Ekstase. Inmitten von Fels, Legenden, rotfelligen Wölfen und Geheimnissen kämpfen ehemalige Milizsoldaten um ein wenig Glück. Die Romanhandlung begleitet einen davon quer durch die Zeiten vom Ende der UdSSR bis nach Bergkarabach.“ (Klever Verlag 2014)
- Robert Prosser: Geister und Tattoos. Roman. Wien: Klever Verlag 2013. 180 Seiten. 19,90 Euro.
Selten liest man so offenherzig begeisterte Worte unter Schriftstellerkollegen: „Einfach stark. Und absolut wahrhaft – bis zum Schmerz. Als ob der Autor sein bisheriges Leben dort, innerhalb des ewigen transkaukasischen Krieges, verbracht hat. Und nicht zuallerletzt – sehr hinreißend. Große menschliche Leidenschaft, die ganz ohne Pathos spürbar wird, “ so Jurij Andruchowytsch über den Roman.
War das Buchdebüt Strom ein Austesten des eigenen Stils, so bleibt Feuerwerk dem entdeckten Rhythmus treu und ist zugleich der unmögliche Versuch, die Zeit auszuspielen, aufzufächern als Vielfalt der Erinnerung, die, wild und anarchisch Welt gebärend, während einer Reise durch Venezuela erzählt wird. Dieser Handlungsstrang bildet den Rahmen für die Vergangenheit, als Countdown etwa in einem Zimmer eines Stundenhotels im Rotlichtviertel von Caracas runter erzählt, im Jetzt aus Ventilatorensurren und Hitze, um gerade darin zu münden als Sprechen zwischen Mann und Frau, die darum kämpfen, weder im Anderen, noch in der Fremde verloren zu gehen, stattdessen reisen sie von Gegenwart zu Gegenwart einem Rätsel hinterher. (Klever Verlag 2014)
- Robert Prosser: Feuerwerk. Prosa. Wien: Klever Verlag 2011. 170 Seiten. 17,90 Euro.
Ein Auslöser für das Schreiben von Robert Prosser war das Verlangen, ein Äquivalent zur Bewegung, zu Graffiti zu finden – „Graffiti deshalb, da ich mich einige Jahre spraydosenbewehrt austobte und es nach wie vor faszinierend finde, wie ohne Vorwarnung Farbe und Stil dem Betrachter ungefragt ins Auge platzen und ein Stück Individualität inmitten der Außenwelt positionieren, ohne Zeit für Erklärungen zu lassen, ohne Anfang und Ende, wild ausufernd und bloß angetrieben von Abenteuerlust…“ (Robert Prosser)
Strom stellt den Versuch dar, eine derartige Individualität durch Stimm- und Sprachauslotung zu entwickeln, indem sich der Autor an unterschiedlichste Begebenheiten zwischen Großstadt, Tiroler Seitental oder Wildnis des Himalayas heranwagt und diese im schnellen Schritt aufeinander folgen lässt, wodurch sich ein mitreißender Strom und Rhythmus ergibt. Keine durchgehende Geschichte will er erzählen, sondern einen Ausdruck finden fürs chaotische Ausufern der Welt und der Lust, sich darin zu verirren, ohne Zwang eines starren Systems. Der Text funktioniert als Spirale, das letzte Wort bedingt das erste und vice versa und es ist nebensächlich, wohin man lesend den Schritt wendet, solange man bloß getrieben wird … (Klever Verlag 2014)
- Robert Prosser: Strom. Ausufernde Prosa. Wien: Klever Verlag 2009. 128 Seiten. 15,90 Euro.
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