Weithin wie das Wolkenufer

Finnische Gedichte aus zwei JahrhundertenImmer noch steht die Frankfurter Buchmesse
vor der Tür, mit Finnland als Ehrengast. Daher heute weitere Buchhinweise für die Auslage literarisch ambitionierter Buchhandlungen bzw. für den Bestellzettel von Buchlesern und -käufern: zwei Anthologien, ein Gedichtband, eine Zeitschrift (in Buchform). / mr

Weithin wie das Wolkenufer

Finnische Lyrik aus zwei Jahrhunderten – das Ergebnis einer über vierzigjährigen Übersetzungsarbeit des wichtigsten Vermittlers finnischer Literatur, Manfred Peter Hein.

Die finnische Literatur hat eine Sonderstellung im Kreis der nordeuropäischen Literaturen.
Bis weit ins zwanzigste Jahrhundert hinein blieb hier die Volkspoesie in Form von ‚Gebrauchslyrik’ (Festgedichte, Klagegedichte) in breiten Bevölkerungsschichten lebendig und prägte die Literaturlandschaft.
Deshalb gilt im Land selbst auch heute noch das gefühlsschwere, oft melancholisch dunkle Erlebnisgedicht als unmittelbarer Ausdruck finnischen Wesens in der Literatur.

Die zweisprachige Anthologie enthält über 150 Gedichte aus 200 Jahren – von im frühen neunzehnten Jahrhundert gesammelter Volkspoesie über Gedichte der Spätromantik bis hin zur Moderne.

In seinem Vorwort gibt Hein einen Überblick über die Entwicklung der finnischen Literatur, der Anhang bietet Informationen zu Leben und Werk der einzelnen Autoren.”
(Text: Wallstein Verlag)

Dreizehn Jahre zuvor hatte Manfred Peter Hein – unter Mitarbeit u. a. von Karl Dedecius, Richard Pietraß, Ernest Wichner, Franz Fühmann, Ludvík Kundera, Oskar Pastior, Barbara Frischmuth, Adolf Endler, Hans Magnus Enzensberger – im Ammann Verlag eine Sammlung zur osteuropäischen Avantgarde herausgegeben: ein anderes Museum der modernen Poesie, eine Schatztruhe sondergleichen.

Auf der Karte Europas ein FleckAuf der Karte Europas ein Fleck

„Diese Gedichtsammlung ist Ergebnis und Abbild einer spannenden, aufregenden Forschungsreise, die 1981 auf einem Übersetzerkolloquium im niederrheinischen Straelen angeregt und in den folgenden Jahren unter wechselnder Beteiligung zahlreicher Spezialisten aus Ost und West durchgeführt wurde.

Als auslösender und weittragender Impuls erwies sich das literarhistorische Engagement für die in Europa zu Unrecht vergessenen Dichter kleiner Literaturen und Literaturgruppen, aber auch die Frage, welchen Beitrag eben diese Literaturen zur Herausbildung der Moderne in Europa geleistet haben.
Dass bei solchem Anspruch die subjektive Sicht auf den einzelnen Text nicht abhanden kam, ist dem Lyriker Manfred Peter Hein zu danken, der die endgültige Auswahl und Gruppierung der Gedichte verantwortete.

Was besonders in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts, doch auch schon ein gutes Jahrzehnt vorher als Ablösungs- und Erneuerungsprozess von nie gekannter Radikalität in der Dichtkunst des ‚europäischen Zwischenbereichs’ zutage trat, war allein das Werk der tief in ihrer Nationalität wurzelnden finnischen, finnland- schwedischen, tschechischen, slowakischen, polnischen, ungarischen, rumänischen, serbischen, kroatischen, slowenischen, bulgarischen, estnischen, litauischen und lettischen Schriftsteller.
Einige von ihnen sind inzwischen auch im deutschsprachigen Raum durch Einzelausgaben vertreten, andere in Überblicksanthologien einzelner Literaturen zu finden; die dritten aber kennt man gar nicht oder kaum mit Namen.
Dies wird zweifellos eine Rolle bei der Lektüre der zum überwiegenden Teil erstmals oder neu übersetzten Texte spielen.
Auf welche Weise diese Gedichte jedoch über die Ländergrenzen hinaus miteinander korrespondieren, wie sich über alle Unterschiede zwischen ausgehendem Symbolismus, frühestem Dadaismus, Futurismus, Poetismus, Surrealismus, Konstruktivismus hinweg eine organische Vereinbarung im Geistigen herstellt – das ist das eigentlich Erregende und Befreiende an diesem Buch.
(Text: Ammann Verlag / Wallstein Verlag)

Als drittes Buch eine schöne Edition des BABEL Verlags, der sich seit vielen Jahren um die Poesie verdient macht – ein kleines, von Kevin Perryman gehegtes und gepflegtes, Verlagsgewächs: kräftig und essentiell. Hier ein Überblick der lieferbaren Bücher, mit Titeln von u. a. Robert Creeley, Friederike Mayröcker, Michael Hamburger, Dagmar Nick und R. S. Thomas.

Pentti Holappa, Ein obdachloser Gedanke

Ein obdachloser Gedanke ist der erste Gedichtband des finnischen Dichters Pentti Holappa in deutscher Sprache – 30 Gedichte aus sechs Jahrzehnten, übersetzt und mit einem Nachwort von Stefan Moster, der zahlreiche Werke der finnischen Literatur (Lyrik, Drama, Prosa, z. B. Holappas Roman Porträt eines Freundes) ins Deutsche übersetzt hat und 2001 mit dem Finnischen Staatspreis für Übersetzer ausgezeichnet wurde. Die Auswahl der Gedichte traf der Übersetzer nach Rücksprache mit dem Autor und in Zusammenarbeit mit dem Herausgeber Kevin Perryman.


Olen sanonut jo kaiken – paitsi hiljaisuuden,
paitsi pimeyden, jonka siltaa pitkin kuljen,
ja aamun valon, myöhästyneen rakkauden kivut
– sanoinkuvaamattoman. On yö, on yö.

NACHT
Ich habe alles gesagt – außer der Stille,
außer der Dunkelheit, über deren Brücke ich gehe,
und außer dem Morgenlicht, den Schmerzen der verspäteten Liebe
– der unbeschreiblichen. Es ist Nacht, es ist Nacht.

Pentti Holappa ist 1927 in Ylikiiminki geboren, war Journalist, Antiquar, Übersetzer (von u. a. Beckett und Baudelaire), Präsident des finnischen PEN sowie Minister für Kultur und Bildung. Der Autor von sechs Romanen und 17 Gedichtbänden gewann 1998 den Finlandia-Preis, die höchste finnische Auszeichnung für Literatur.
Holappas Lyrik liegt in englischen und französischen Übersetzungen vor. Der BABEL Verlag ist stolz darauf, diese Gedichte nun im deutschen Sprachraum bekanntmachen zu können.”
(Text: BABEL Verlag)

Hier eine weitere Textprobe aus dem angezeigten Band.

NORSUN ÄÄNI

Hetket on laskettu, mutta menetysten helminauha jatkuu
katkeamatta niin kauan kuin on toivoa, on toivottomuutta.
Jäät paikoillesi, tunget juuret karuun maahan etkä pelkää.

DIE STIMME DES ELEFANTEN

Die Stunden sind gezählt, doch die Perlenkette der Verluste reißt nicht ab;
solange Hoffnung besteht, besteht Hoffnungslosigkeit.
Du bleibst, schiebst Wurzeln in die karge Erde und fürchtest dich nicht.

Nicht diese schönen, spröden Verse, von denen ich nicht zu entscheiden wagte, ob sie die Dunkelheit einlassen oder das Licht, sollen diesen Eintrag beschließen, sondern der Hinweis auf die Nr. XIV der Zeitschrift BABEL (Schwerpunkt Skandinavien):

Zeitgenössische Lyrik – aus Finnland, Dänemark, Norwegen, Schweden, Deutschland, Österreich, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich.
Diese Ausgabe enthält Erstveröffentlichungen oder deutsche Erstveröffentlichungen von Werner Aspenström, Robin Fulton, Olav H. Hauge, Manfred Peter Hein, Pentti Holappa, Jouni Inkala, Harry Martinson, Andreas Palm Meister, Eva Runefelt, Staffan Söderblom, Morten Søndergaard, Eva Ström, Ilpo Tiihonen und Arild Vange. Gedichte in sechs Sprachen von unbekannten und namhaften Autoren, z. B. die deutsche Erstveröffentlichung eines Gedichtes des Nobelpreisträgers Harry Martinson, neue Gedichte von Friederike Mayröcker, Elisabeth Borchers und Franz Wurm.”
(Text: BABEL Verlag)

INTE EN KÄFT
Inte en käft på den här sidan mörkret. Det
snöar ute, djuren sätter sina spår
i snön.
Små kärl
som månen fyller med blå dryck.

KEIN MENSCH
Kein Mensch diesseits der Dunkelheit. Es
schneit draußen; die Tiere hinterlassen ihre Spuren
im Schnee.
Kleine Gefäße,
die der Mond mit etwas Blauem zu trinken füllt.

Staffan Söderblom (Übersetzung: Caspar Schmied)



Bibliographische Angaben

Weithin wie das Wolkenufer / Kuin on pitkät pilven rannat. Finnische Gedichte aus zwei Jahrhunderten / Suomalaisia runoja kahdelta vuosisadalta.
Ausgewählt und übersetzt von Manfred Peter Hein. 312 Seiten, Leinen mit Schutzumschlag. 22,2 x 14 cm. Wallstein Verlag, Göttingen 2004. 30,00 Euro
(= Mainzer Reihe. Neue Folge [Hg. von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz], Bd. 2)

Auf der Karte Europas ein Fleck. Gedichte der osteuropäischen Avantgarde (1910-1930). Herausgegeben und mit einem Nachwort von Manfred Peter Hein.
Aus dem Bulgarischen, Estnischen, Finnischen, Finnlandschwedischen, Kroatischen, Lettischen, Litauischen, Polnischen, Rumänischen, Serbischen, Slowakischen, Slowenischen, Tschechischen, Ungarischen übertragen und nachgedichtet. Mit den Originaltexten.
Mit bio-bibliographischen Angaben und einem Autoren- und Quellenregister nach den Originalsprachen. 464 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Lesebändchen. Ammann Verlag, Zürich 1991. 36,90 Euro [Vertrieb durch den Wallstein Verlag, Göttingen]

Pentti Holappa, Ein obdachloser Gedanke. [30] Gedichte aus sechs Jahrzehnten. Herausgegeben von Kevin Perryman. Aus dem Finnischen übersetzt und mit einem Nachwort von Stefan Moster. Deutsch und Finnisch. 84 Seiten, Fadenheftung, Englische Broschur. 24 x 17,5 cm. BABEL Verlag, Denklingen 2008. 24,00 Euro
(1000 Exemplare)
[Vorzugsausgabe:
75 numerierte Exemplare mit einer signierten Originalradierung von Vroni Schwegler. Preis auf Anfrage beim Verlag]

BABEL XIV (Schwerpunkt Skandinavien). 88 Seiten, Fadenheftung. Umschlag: graues Conyueror-Bütten. 25 x 18,5 cm. BABEL Verlag, Denklingen 2006.
17,00 Euro
(750 Exemplare auf Vorsatzpapier)