Herbstpost aus Wien – dunkel und unmenschlich (Einschub Norwegen)

20140915_213039Die Shortlisten vom Herbst stehen und warten. Zeit genug, um an das Gewinnerbuch der Hotlist von 2012 zu erinnern: Dunkelheit am Ende des Tunnels von Tor Ulven –  zwanzig Jahre alte „Prosastücke eines norwegischen Selbstmörders zum Thema Depression“ (Axel von Ernst). Es erschien noch zu Lebzeiten des Dichters und war das erste auf Deutsch.

Der Literaturverlag Droschl ist für seine Vorliebe zum formal Sperrigen bekannt und auch dafür, mit Erstübersetzungen ins Deutsche ein Publikum für unbekannte Autorinnen und Autoren aus aller Herren Länder zu begeistern. Dazu ist zwingend Tor Ulven zu zählen, von dem der Verlag jetzt eine weitere  furiose Sammlung „unerhörter Literatur“ veröffentlichte mit Prosastücken und vermischter Kürzestprosa, in der es nicht gerade menschelt. Er schreibe „wahrscheinlich über das allgemein Unmenschliche“, sagt Ulven in dem Interview am Ende des Buches. Es sollte sein einziges bleiben.

„Ungerührt und mit einigem Witz eroberte der Norweger Tor Ulven der Literatur wieder eine Erkenntniskraft, die sie auf ihrem Weg in die Unterhaltungsbranche im allgemeinen verloren hat; existenzieller Ernst, eine beinah wütende Aversion gegen falsche Tröstungen jeder Art und eine vitale sprachliche Unverbrauchtheit machten ihn zu einem der großen dichterischen Erneuerer des Jahrhunderts.
Ulven war ein Meister der knappen Erzählformen, er hinterließ nur einen einzigen, kurzen Roman. Sein Thema war die Zumutung des Todes, der Sterblichkeit, das so kurze Aufblitzen des menschlichen Individuums in der Geschichte, das so viel längere Leben und Überleben der Dinge, die er mit Empathie und großem Interesse schildert, als handelte es sich bereits um Fossilien. Seinen Stil beschrieb er als »eine glühende Sprache unter kaltem, feuerfestem Glas. Es geht darum, gleichzeitig zu denken und zu schreien, ein bisschen pathetisch ausgedrückt.«
Das allgemein Unmenschliche enthält nicht nur die beiden Einzelbände mit Ulvens kurzer Prosa, 1991 und 1995 (posthum) veröffentlicht, sondern auch ein ausführliches, langes Gespräch mit dem Autor – das einzige Interview, das er gab und das eine hervorragende Einführung in sein Werk darstellt.“ (Literaturverlag Droschl 2014)

AUSSTELLUNG XV
(Frühlingshafte Landschaft)

Es fühlt sich an, als ob ich über eine große Ebene ginge, mit ausgebrannten Autowracks, über Grasbüschel, Sand und Huflattich, der in der Dämmerung schillert, endlos, und frei atmen könnte, jetzt, da alles zerstört ist.

(aus: Ulven, Das allgemein Unmenschliche)

 

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  • Tor Ulven: Das allgemein Unmenschliche. Aus dem Norwegischen von Bernhard Strobel. Graz: Literaturverlag Droschl Verlag 2014. 208 Seiten. 22 Euro