Zwei neue Bücher bei Weidle, von Mooses Mentula und von Pétur Gunnarsson.
„Der Roman wurde in Finnland mit Begeisterung aufgenommen; es ist der erste von Mooses Mentula, der aber bereits am nächsten arbeitet (da wir die Gastlandauftritte zur Erweiterung des Programms nutzen, besteht durchaus Hoffnung, daß wir auch das nächste Werk herausbringen werden).”
So schreibt das Verlegerpaar in seiner Rundmail, launig, wie man’s von ihm kennt, über Nordlicht – Südlicht, den Beitrag des Weidle Verlags zum Finnland-Schwerpunkt bei der Buchmesse in Frankfurt am Main (8.-12.10.).
Über das Buch
„Schweine züchten, Rentiere scheiden [zerlegen, Anm. mr]. Rauhe wortkarge Burschen zu seinen Freunden zählen. Schnee, Sauna, Eisbaden. Weite, leere Landschaft. Nordlicht. Marianne hat sich in den ersten Jahren sehr wohlgefühlt in Lappland, mit ihrem Jouni. Weit weg von ihrer eigenen, gut situierten Familie in Kirkkonummi bei Helsinki. Als dann Lenne geboren wird, scheint ihrer aller Leben perfekt im Gleis zu laufen.
Aber dann zerbricht etwas: Lenne bockt in der Schule, weil seine Eltern sich nur noch streiten. Das Leben in Einöde und Eis hat für Marianne nach herben Schicksalsschlägen seinen Charme verloren. Ebenso ihr Mann Jouni, der von materiellen Sorgen gedrückt wird. Für ihn gibt es jedoch keine Alternative zur Existenz eines Rentierzüchters in Lappland, so hart das auch sein mag.
Erst igelt Marianne sich ein, kann nicht mehr aufstehen. Dann sucht sie Zerstreuung. Als Lenne einen neuen jungen Lehrer, Jyri, bekommt, dem er sich bald anvertraut, wird es kompliziert. Denn Marianne fühlt sich zu ihm hingezogen. Und auch Jyri ist sie alles andere als gleichgültig.
Mentula zeichnet in seinem sehr gelobten Debütroman den aktuellen Konflikt zwischen Norden und Süden, ländlicher und städtischer Existenz sehr feinfühlig nach, mit viel Sinn für Komik. Gleichzeitig vermittelt er ein Bild des Lebens in Lappland, das selbst vielen Finnen nicht mehr vertraut ist, weil es in der zeitgenössischen Literatur kaum geschildert wird. Der Konflikt ist hochaktuell. Gespannt verfolgt man die dramatische Entwicklung der Figuren, den Zerfall einer modernen Familie.”
(Text: Weidle Verlag)
Der Autor
Mooses Mentula, 1976 geboren, hat lange in Nordfinnland und Lappland gelebt. Heute leitet er in der Nähe von Helsinki eine Schule. Nordlicht — Südlicht (Isän kanssa kahden) ist sein erster Roman. Die zuvor veröffentlichte Sammlung von Kurzgeschichten, Musta timantti (Schwarzer Diamant), wurde vor allem für die Klarheit ihres Stils gerühmt.
„Mentulas Roman über Menschen, die hilflos sind, aber Lebensentscheidungen treffen müssen, hat emotionale Kraft und einen messerscharfen Realismus. 37 kurze Kapitel mit wechselnden Protagonisten porträtieren eine Gruppe von Menschen, die alle eine Heimat suchen. Während der vergangenen Jahrzehnte haben viele Autoren über das normale Leben jenseits der Grenzen Finnlands geschrieben, doch Mentula schreibt gleichzeitig mit Humor und Trauer über eine ländliche Gemeinschaft, die weit entfernt ist von Cafés und Skateboard-Rampen. In dieser Gemeinschaft lebt ein kleiner Junge, dem sein Vater beigebracht hat, ein Lasso über die Hörner eines Rentiers zu werfen, Fischernetze auszulegen. Wird er dort bleiben, oder wird er mit seiner Mutter in eine Mietskaserne im Süden ziehen? Das Verlangen der Erwachsenen nach Heimat ist machtvoll, aber wer fragt, wonach sich das Kind sehnt?”
Maria Antas
Nicht Das dritte Buch über Achim, sondern Das vierte Buch über Andri lautet der Titel des zweiten Romans, auf den hier hingewiesen werden soll.
Er ist Schluss-Stück eines vierbändigen Werks, „kann aber mit demselben Vergnügen auch als erster Band gelesen werden, da er sozusagen an dem Punkt endet, als der Autor-Andri beginnt, den ersten Band, also punkt punkt komma strich, zu schreiben” (Stefan und Barbara Weidle, zitiert nach genannter Rundmail, s. auch untenstehenden Verlagstext).
„Jeder braucht für seine Arbeit eine Verpackung, der Arzt genauso wie der Klempner. Was ist meine Verpackung? Anscheinend hatte der Klempner denselben Gedanken, denn auf dem Weg nach oben fragt er mich, ob ich Schriftsteller sei. ‚Wie kommst du darauf?’ ‚Man trifft so selten kerngesunde Männer vormittags zu Hause an.’”
Pétur Gunnarsson, Das vierte Buch über Andri
Über das Buch
„Andri Haraldsson taucht in den frühen 1970er Jahren in einer Kommune der legendären Freistadt Christiania bei Kopenhagen auf.
Er tut, was man damals so tat: nimmt LSD (und begegnet einem Engel), diskutiert über Mao Tse-tung und Trotzki, sieht Filme von Jean-Luc Godard. Eine Freundin hat er auch, Bylgja, mit der er nach Reykjavík zurückkehrt. Dort wird er bald Vater.
Um die Familie zu ernähren, geht er als Lehrer in die Provinz, wird jedoch alsbald wegen Rauschgiftbesitzes entlassen. Fortan führt Bylgja die Geschäfte und er den Haushalt.
Der Schlußband der grandiosen Tetralogie über das Leben und Wirken von Andri Haraldsson bietet alles andere als einen Schluß, denn der Andri dieses Romans ist nicht der der anderen. Sondern der, der die ersten drei Bücher geschrieben hat.
Andri erzählt nämlich selbst sein Leben zwischen Schreiben, Kinderbetreuung und Haushalt, wobei er auf letzterem Gebiete keine sonderlich gute Figur macht. Er erzählt Geschichten aus seiner Kindheit und erfindet Geschichten für sein Kind.
Und am Ende des Romans beginnt er vielleicht, punkt punkt komma strich zu schreiben, den ersten Band der Tetralogie.
So kann man Das vierte Buch über Andri genausogut als das erste lesen, als den ersten Band eines der großen Klassiker der isländischen Literatur des späten 20. Jahrhunderts.”
(Text: Weidle Verlag)
Bibliographische Hinweise
Mooses Mentula, Nordlicht — Südlicht. Roman. Aus dem Finnischen von Antje Mortzfeldt. 264 Seiten, Fadenheftung, Festeinband. Umschlagfoto: Marcel Köppe. Weidle Verlag, Bonn 2014. 23,00 Euro
Pétur Gunnarsson, Das vierte Buch über Andri. Roman. Aus dem Isländischen von Benedikt Grabinski. 160 Seiten, Fadenheftung, Festeinband. Umschlagfotos: Barbara Weidle. Weidle Verlag, Bonn 2014. 21,00 Euro
Pétur Gunnarsson, punkt punkt komma strich. Roman. Aus dem Isländischen von Benedikt Grabinski. 130 Seiten, Fadenheftung, fester Einband. Weidle Verlag,
Bonn 2011. 16,90 Euro
Pétur Gunnarsson, ich meiner mir mich. Roman. Aus dem Isländischen von Benedikt Grabinski. 120 Seiten, Fadenheftung, fester Einband. Weidle Verlag,
Bonn 2012. 16,90 Euro
Pétur Gunnarsson, Die Rollen und ihre Darsteller. Roman. Aus dem Isländischen von Benedikt Grabinski. 160 Seiten, Fadenheftung, Festeinband. Weidle Verlag,
Bonn 2013. 18,90 Euro