„Die Geschichte beginnt harmlos: Laurent und sein Freund NO, zwei Balljungen im Frankreich der Vichy-Regierung.
Auf einem Golfplatz belauschen sie das Gespräch eines Gestapomannes mit dem Chef der französischen Miliz.
Laurents Vater, im Widerstand aktiv, ist in Gefahr, in eine Falle zu laufen, wenn er nicht rechtzeitig gewarnt wird. NO übernimmt diese Aufgabe, und Laurent verspricht ihm dafür, 55.555 Golfbälle zu sammeln.
‚Ich will, daß alle diese Bälle gespielte Bälle sind, verlorene Bälle, die du auf dem Golfplatz einsammelst’, nennt NO seine Bedingung.
Aus dem scheinbar überschaubaren Versprechen wird eine Aufgabe fürs Leben, die Laurent sehr ernst nimmt: zu ernst, wie sich am Ende – auch des Lebens von Laurent – herausstellt.”
(Text: Verlag Klaus Wagenbach / mr)
Ein ausgezeichneter kleiner Roman, in Frankreich 1997 erschienen, bei Arthème Fayard, auf Deutsch zunächst bei Hanser (2003), dann, in Lizenz, bei Wagenbach (2009), wo er, in zweiter Auflage, weiterhin lieferbar ist.
In drei Teilen zu je sechs Kapiteln erzählt Roubaud von Laurent Akapo, nachmaliger Berufs-Caddie, von der Geburt am 30. Januar 1933 – die Koinzidenz mit der Machtergreifung Hitlers wird sein späteres Leben als Sonderling überschatten – bis zum Alter von 62 Jahren.
Doch es ist auch kein Spaß, Freund von Norbert Couarat alias NO zu sein, dem gleichaltrigen Sohn des Schokoladefabrikanten in B., Stadt nahe der spanischen Grenze, wo Der verlorene letzte Ball hauptsächlich spielt. (Es gibt auch Ausflüge nach Lyon und, im letzten Teil der Geschichte, nach Schottland, auf die Orkneyinseln. – „Schottland war das schönste Land der Welt. Edinburgh war die schönste Stadt Schottlands, und folglich der Welt. Und die Orkneys waren die schönsten Inseln Schottlands.”)
„Soll einer sich selbst versäumen über einem Zweck” formulierte Johnson in Mutmassungen über Jakob Schillers Frage fraglos um („Kann aber wohl der Mensch dazu bestimmt seyn, über irgendeinem Zwecke sich selbst zu versäumen?”). Davon erzählt Roubaud: wie einer über einem Zweck sich selbst versäumt, ein verrücktes Versprechen zu halten sich bemüht, und sich verrät, Treue (zu anderen) mit Untreue (zu sich) erkaufend.

Jacques Roubaud, 1932 in Caluire (Rhône) geboren, schrieb schon als 12-jähriger seine ersten Gedichte. Später studierte er Mathematik in Paris, wo er durch die Vermittlung von Raymond Queneau der Gruppe Oulipo beitrat. Seiner Leidenschaft für Zahlen ging er nicht nur als Mathematikprofessor in Paris nach, diese Liebe schlägt sich auch im literarischen Werk Roubauds nieder.
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Von Roubaud bei Wagenbach außerdem lieferbar:
Der Verwilderte Park
„Den Spätsommer des Jahres 1942 verbringen die beiden Kinder Dora und Jacques fern den Eltern in ländlicher Idylle nahe der spanischen Grenze. Sie schaffen sich in ihrem ‚Verwilderten Park’ ein eigenes Reich, spielen mit einer alten Ente ‚Eierverstecken’, versuchen erfolglos, die Zwillinge Jean und Joan auseinander zu halten, lauschen dem Katalanisch sprechenden Großvater und lassen sich von zwei jungen Frauen versorgen. Dass die Reise noch weiter über die Pyrenäen ins Exil gehen soll, bleibt den beiden ebenso unverständlich wie die Gespräche der Erwachsenen und gelegentlich aufgeschnappte Radioberichte.
Doch die äußere Bedrohung, der Krieg, die Besatzung sind wie ein inneres Zittern im Text spürbar. In kurzen Sätzen, in einer klaren Sprache, ganz nah an den Emotionen und Ängsten, werden diese leuchtenden Kindheitserinnerungen erzählt.
Ein zärtlicher Text über glückliche Tage und über das Warten.”
(Text: Verlag Klaus Wagenbach)
Bibliographische Angaben
Der verlorene letzte Ball. Roman. Aus dem Französischen von Elisabeth Edl.
120 Seiten, rotes Leinen, Fadenheftung. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2009. 14,90 Euro (= SALTO)
Der Verwilderte Park. Erzählung. Aus dem Französischen von Tobias Scheffel.
128 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2010. 15,90 Euro (Quartbuch)