Joe Sacco kannte man bisher als Comic-Journalisten. Er reiste durch Palästina, den Gaza-Streifen oder Bosnien und suchte den Kontakt zu den Menschen vor Ort, war an ihren persönlichen Geschichten interessiert. Die Eindrücke dieser Reisen verarbeitet er zu umfangreichen Reportagen in Comicform. Seine Spezialität ist die teilnehmende Beobachtung. Er stellt sich bewusst immer selbst mit ins Bild und vermittelt zuweilen eine sehr subjektiv gefärbte Sicht auf die Ereignisse und Konflikte vor Ort.
In seinem neusten Werk wendet er sich zum ersten Mal einem historischen Thema zu: dem Ersten Weltkrieg, genauer gesagt der Schlacht an der Somme bzw. – noch genauer – dem ersten Tag dieser Schlacht. Hier greift Saccos bisherige Recherchemethode nicht, hier muss er mit historischen Fakten arbeiten. Es scheint also nur folgerichtig, dass er für dieses Projekt eine komplett andere Form wählt.
Der Erste Weltkrieg: Die Schlacht an der Somme präsentiert sich als Leporello, der komplett ausgefaltet knappe sieben Meter misst und ein einziges gewaltiges Bild zeigt. Die Detailfülle der Zeichnungen beeindruckt und erschlägt zugleich, zumal man zunächst etwas ratlos ist, wie man dieses Monstrum lesen soll. Die normalen Lesegwohnheiten eines Comiclesers werden auf jeden Fall herausgefordert. Orientierung bietet das Begleitheft, in dem sich neben einem Vorwort von Sacco selbst und einem historischen Abriss des Journalisten Adam Hochschild Erklärungen zu Details auf jeder der 24 Tafeln finden, in die sich der Leporello durch die Faltungen gliedert.

Kaum jemand wird zu Hause ausreichend Platz haben, um das Werk einmal komplett auszubreiten und selbst wenn, so wäre das Lesen, auf den Knien vor einem gigantischen Streifen Papier herumrutschend, doch eher unkomfortabel. Wahrscheinlicher ist, dass der Leser im gefalteten Leporello blättert und so eine Tafel nach der anderen betrachtet. Das entspricht auch Saccos Konzeption, denn sein Panorama zeigt keineswegs eine reine Momentaufnahme, sondern den Verlauf der Ereignisse am 1. Juli 1916, Stunde für Stunde.
Sacco selbst hat in einem Interview gesagt, er sei dieses Thema weniger als Journalist, sondern mehr als Künstler angegangen. Dennoch finden sich auch in Der Erste Weltkrieg: Die Schlacht an der Somme Spuren seiner vorangegangenen Reportage-Arbeiten. Auch hier hat er gründlich recherchiert und sich bei historischen Details an Fotos aus dem Fundus des Imperial War Museum in London orientiert. Und auch hier merk man immer wieder, dass er nicht nur das große Panorams zeigen möchte, sondern auch die individuellen Geschichten der einzelnen Soldaten. So bleibt der Blick des Betrachters immer wieder an Gesten und Gesichtern einzelner Soldaten hängen. Natürlich können diese die individuellen Geschichten nicht erzählen, sie können sie aber andeuten und in Konstrast zu der gleichzeitig inszenierten Masse an Soldaten setzen. Und gerade dieser Kontrast aus großem Panorama und kleinen Momentaufnahmen macht das Werk so faszinierend.
(uf)

Joe Sacco: Der Erste Weltkrieg: Die Schlacht an der Somme. Zürich: Edition Moderne. 2014. Leporello mit 24 Seiten, schwarzweiss, 29 x 22 cm, im Schuber. ISBN 978-3-03731-122-6. 35,- Euro.