Zack-zack geht’s weiter mit Langeweile und Nichtstun.
blasé – Fortschritt durch Langeweile
„Langeweile ist ein allseits bekanntes und gefürchtetes Phänomen, das manche an nichtsnutzig verbrachte Sonntag-Nachmittage erinnert, andere dagegen eher an ein unterschwelliges, dumpfes und ein wenig hoffnungsloses Gefühl, das sich dann zeigt, wenn man es schon lange nicht mehr geschafft hat, sich für etwas wirklich zu begeistern.
Der Sammelband blasé – Fortschritt durch Langeweile thematisiert in den darin enthaltenen sieben Heften verschiedene Äußerungs- und Umgangsformen mit dieser ehemaligen Todsünde.
Dabei stellt Christine Dorst den verschiedenen Standpunkten die unterschiedlichsten Ausdrucksmittel an die Seite: Fotoserien, Interviews, eine Inszenierung von Becketts „Warten auf Godot“, ein Selbstexperiment und eine Sammlung von Songtexten sowie eine kurze kulturgeschichtliche Phänomenologie der Langeweile, in der die Autorin im kulturgeschichtlichen Rückblick ein bestechend einfaches philosophisches Modell des Lebens- und Selbstüberdrusses entwickelt. Dabei stößt sie auf verschiedene Arten der Langeweile und zeichnet historische Perspektiven nach, von Seneca über Thomas von Aquin, Schopenhauer bis Heidegger, von der einstigen Einschätzung als Todsünde bis zur positiven Wertung als Mutter aller Kreativität.
Eine zentrale Erkenntnis hebt auf die soziokulturelle Einbindung des so subjektiv scheinenden Phänomens ab: Wir langweilen uns dann, wenn wir unsere Erwartung an uns selbst in einer konkreten Situation nicht erfüllen können, sei es im Büro oder als Jugendlicher in der Vorstadt, wo man das nicht tun kann, was man gerne täte, oder aber, wenn man aus einer gewissen Übersättigung heraus gar nicht mehr weiß, was man gerne tun würde.
Je lauter sich der gesamtkulturelle Imperativ: Hab Spaß! also bemerkbar macht, desto günstigeren Nährboden findet die Langeweile.”
(Text: Merz Akademie)
Christine Dorst, blasé. Fortschritt durch Langeweile. 298 Seiten, zu sieben Heften gebunden, im Schuber. 17,5 x 24 cm. Merz Akademie, Stuttgart 2005. 39,90 Euro
Bevor dies Aufwachbuch genauer vorgestellt wird, ein erdiges, expressives, quälendes Stück Musik von Archie Shepp, „Blasé”, aus dem gleichnamigen Album von 1969. Expliziter Text, aber große Musik, auch wegen des genial ausgedachten Einsatzes zweier Mundharmonikaspieler ab der sechseinhalbten Minute.
„C’est ce genre de choses qui me redonne de l’espoir en notre espèce”, kommentierte ein Jazzfan. („So Sachen hier geben mir den Glauben an die Menschheit zurück.”)
Archie Shepp, ts / Jeanne Lee, voc / Dave Burrell, p / Philly Joe Jones, dr / Julio Finn, harp / Chicago Beau, harp / Lester Bowie, tp (Besetzungsliste nach YouTube, ich höre keine Trompete heraus)
Guten Morgen!
„Jeden Morgen dasselbe: Es ist finster draußen, aber es heißt aufstehen … Dabei ist der Traum gerade so spannend und das Bett so kuschelig, wie es die ganze Nacht nicht war.
Aufstehen fällt nicht immer leicht. Der linke und der rechte Fuß tasten nach dem Boden, und ganz langsam schält sich auch der Rest des Körpers aus den warmen Federn. Schlaftrunken ist das Bad erreicht und ‚klick’ ist der Schlaf vorbei – die Äuglein blinzeln müde ins grelle Licht. Frisch gewaschen, reingeschlüpft in Hose, Hemd und Socken! …
Man muss kein Kind sein, um zu wissen, wie schwer der Moment und wie träge der Körper ist, wenn er aus dem wohlig warmen Bett in die kalte Wirklichkeit steigen muss. Heide Stöllinger begleitet Heinz Janischs launiges Morgengedicht mit ihren markanten Illustrationen, die das Schneckentempo des Erwachens ebenso wie die Intensität der Sinne am frühen Morgen einfangen.
Ein zauberhaftes Aufwachbuch, das jeden Morgen versüßt.”
(Text: Picus Verlag)
Trotzdem wird in Deutschland die Schule immer weiterhin um 8.00 Uhr beginnen, mögen auch alle darunter leiden. Die einmal errichtete Ordnung umzuwerfen, hieße ja, einen Fehler einzugestehen! Für solche Einsicht ist die Schule seit je die falsche Anstalt.
Heinz Janisch, Heide Stöllinger (Illustrationen), Guten Morgen! 32 Seiten, durchgehend vierfarbig. 28,5 x 21 cm. Picus Verlag, Wien 2008. 14,90 Euro
Mit einem echten Schul-Buch, zum Ferienbeginn in Berlin, endet der heutige Hotlistblog-Eintrag:
„Langeweile: einerseits ein Alltagsphänomen, andererseits ein Tabu innerhalb schulpädagogischer Diskussionen. Als Krise ist die Langeweile ein Indikator für fehlende Sinnbezüge in der Schule und stellt damit ein dominierendes Problem für Schüler- und Lehrerschaft im Unterrichtsalltag dar.
Die vorliegende Studie betrachtet Ursachen von Schülerlangeweile sowie Chancen und Risiken der Langeweile für jugendliche Entwicklungsverläufe.
Vor allem aber wird hier der Nutzen der Langeweile für Bildungs- und Entwicklungsprozesse von Schülerinnen und Schülern in den Blick genommen. Zwischen Turbo-Abitur und verstärkt ökonomisierten Bildungsprozessen braucht Schule den Mut zu mehr Muße, Geduld und Ritualisierung, um Bildungsprozesse initiieren zu können, die jenseits eines Effizienzparadigmas wieder die Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt stellen.”
(Text: Waxmann Verlag)
Sabine Schomäcker, Schule braucht Langeweile? Über den Nutzen jugendlicher Langeweile für die Schule. 190 Seiten, Paperback. 21 x 14,8 cm. Waxmann Verlag, Münster 2011. 29,90 Euro.
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