Schlaf etc.

Schlaf Müdigkeit Faulheit 1„Die Müdigkeit hat ein weites Herz.” – Maurice Blanchot, zitiert von Byung-Chul Han

„Nun folgt das Tönen der entfernten Uhr, mit schwächeren und schwächeren Schlägen, während du tiefer in die Wildnis des Schlafes eindringst. Es ist das Einläuten, die Totenglocke eines zeitweiligen Todes. Dein Geist hat sich davongemacht und wandert als ein freier Bürger unter den Gestalten der Schattenwelt …”
– Nathaniel Hawthorne, zitiert von Jean-Luc Nancy

Mit diesem Eintrag beginnt eine kleine Serie zu den Themen Müdigkeit, Faulheit, Nichtstun, Langeweile, Muße.
Es geht gleich los. / mr

Jean-Luc Nancy, Vom Schlaf

„Umfallen vor Müdigkeit, sich erschöpft aufs Bett fallen lassen oder gar todmüde in tiefen, ewig währenden Schlaf fallen, so dass die Bettstatt zugleich zur Stätte des Todes wird: Vom Schlaf ist eine essayistische Annäherung an den Zustand des Schlafens, des Träumens, des Wachens, der Selbstvergessenheit.

Jean-Luc Nancy (Bildquelle: diaphanes.net)
Jean-Luc Nancy (Bildquelle: diaphanes.net)
Jean-Luc Nancy enthüllt in diesem Buch eine weitere Facette seiner Überlegungen über die Sinnlichkeit, der zentrale Schauplatz eines neuen philosophischen Denkens, welches die Körper-Geist-Dualität weit übersteigt.
Aus diesem poetischen Text spricht nicht nur der Philosoph, sondern auch der Schriftsteller Jean-Luc Nancy, der virtuos mit den phonetischen und metaphorischen Qualitäten der Sprache spielt.
(Text: diaphanes)

Die schön-einlullenden Worte des Anfangs, von der Übersetzerin Esther von der Osten sehr gut ins Deutsche übertragen:

„Schlaftrunken falle ich in Schlaf, falle vor Schlaf. Ich falle in den Schlaf und falle hinein, weil der Schlaf dies bewirkt. Wie ich vor Müdigkeit umfalle. Wie ich vor Langeweile umfalle. Wie ich vor Verzweiflung falle. Wie ich überhaupt falle. All dieses Fallen fasst der Schlaf zusammen, er versammelt es.”

[Nebenbemerkung: Bei dem lautlichen Spiel mit „l/ll” kann man an E. E. Cummings‘ Gedicht l(a denken – schöne Verbindung aus visueller Poesie und Haiku.]

Jean-Luc Nancy, Vom Schlaf. Essay. Aus dem Französischen von Esther von der Osten. 64 Seiten, Klappenbroschur. diaphanes, Zürich und Berlin 2013. 12,95 Euro

Das zweite Buch im Bunde ist …

Schlaf Müdigkeit Faulheit 2

Byung-Chul Han, Müdigkeitsgesellschaft

„Derzeit vollzieht sich unbemerkt ein Paradigmenwechsel. Die Gesellschaft der Negativität weicht einer Gesellschaft, die von einem Übermaß an Positivität beherrscht ist. Ausgehend von diesem Paradigmenwechsel zeichnet Han die pathologische Landschaft der heutigen Gesellschaft, zu der neuronale Erkrankungen wie Depression, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, Borderline oder Burnout gehören. Sie sind keine Infektionen, sondern Infarkte, die nicht durch die Negativität des immunologisch Anderen, sondern durch ein Übermaß an Positivität bedingt sind. So entziehen sie sich jeder immunologischen Technik der Prophylaxe und Abwehr. Hans Analyse mündet am Ende in die Vision einer Gesellschaft, die er in beabsichtigter Ambivalenz ‚Müdigkeitsgesellschaft’ nennt.”
(Text: Matthes & Seitz Berlin)

Die Kapitel: „Die neuronale Gewalt”, „Jenseits der Disziplinargesellschaft”, „Die tiefe Langeweile”, „Vita activa”, „Pädagogik des Sehens”, „Der Fall Bartleby” und „Müdigkeitsgesellschaft”.

MüdigkeitsgesellschaftWer abends zum Lesen zu müde ist, kann sich den Text auch vorlesen lassen. In der Hörbuchedition von speak low spricht Frank Arnold (hier ein Hörbeispiel [2:54]).

Byung-Chul Han, Müdigkeitsgesellschaft. Mit einem Vorwort des Autors [„Der müde Prometheus”]. 72 Seiten, Broschur. Matthes & Seitz Berlin 2013 [8. Auflage]. 10,00 Euro (= Reihe Fröhliche Wissenschaft)

Byung-Chul Han, Müdigkeitsgesellschaft. Gelesen von Frank Arnold. Laufzeit 75 Minuten. speak low, Berlin 2013. 12,00 Euro

Nun zu Marx‘ Schwiegersohn Paul Lafargue, der kein Recht auf Arbeit, sondern ein Recht auf Faulheit forderte. Eine absolut zeitgemäße Devise, und allemal heilbringender als die gemeingefährlichen Zuckungen des Zombie-Kapitalismus. (Auch) dies Buch muss man natürlich haben und es sich unters Kopfkissen legen: Eine Bibel für die Kritiker des Arbeitswahns. Schlaf Müdigkeit Faulheit 3

Paul Lafargue, Das Recht auf Faulheit

„Manche Texte wollen nicht so sehr klare Gedanken als vielmehr eine vitale Reaktion auslösen. Es reicht, wenn sich der Leser am nächsten Morgen gegen alle Verpflichtungen dazu entscheidet, im Bett zu bleiben. Ein Klassiker dieser Gattung ist Das Recht auf Faulheit, eine vehemente, schwungvolle, satirische Attacke gegen die Arbeitsmoral, die an die Zeitgenossen gerichtet ist und ihre Schärfe dennoch aus zeitlosen Motiven zieht, allen voran das Bild der verkehrten Welt:
Auf einmal steht alles auf dem Kopf, die heilige Faulheit wird als neuer Kult zelebriert, die Reichen und Mächtigen werden Schauspieler zur Belustigung der feiernden Massen.
Doch wie ratsam es ist, im Lachen innezuhalten und den Reichtum und die unheimliche Aktualität der hinter so viel Witz verborgenen Gedanken aufzuspüren, zeigt Guillaume Paoli in seinem brillanten Essay ‚Wider den Ernst des Lebens’, der von einem Recht und eben nicht einem Lob der Faulheit spricht – wirklich von Faulheit und nicht von Muße. Diese Neuübersetzung versprüht auch heute noch explosive Funken.”
(Text: Matthes & Seitz Berlin)

Eine Leseprobe gibt es hier.

„Ein wilder Mix aus Pamphlet, Analyse, Satire und leidenschaftlichem Glaubensbekenntnis […]. Neue Perspektiven verlangen eine neue Rhetorik. Und vielleicht deshalb ist der Text verblüffend aktuell geblieben.”
Walter von Rossum, Westdeutscher Rundfunk, 28. April 2013

Paul Lafargue, Das Recht auf Faulheit. Aus dem Französischen von Eduard Bernstein und Ulrich Kunzmann. Mit einem Essay von Guillaume Paoli. 122 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag. Matthes & Seitz Berlin, Berlin 2013. 14,90 Euro

Ebenfalls lieferbar: Die Religion des Kapitals.

Schlaf Müdigkeit Faulheit 15

Manfred Koch, Faulheit

„Heute, da Vollbeschäftigung als Gipfel des gesellschaftlich Erstrebenswerten gilt, Umtriebigkeit und atemloses „Am-Ball-Bleiben” auch nach der Arbeit angesagt sind, scheint jeder sich rechtfertigen zu müssen, der am Wochenende einfach nur Däumchen drehen möchte.

Dabei galt Muße zu haben in der Antike als Ideal, und selbst das Mittelalter übte noch Nachsicht gegenüber dem antriebslosen Nichtstuer. Erst die Neuzeit brachte die entscheidende Wende: Fortschrittsglaube und Veränderungswille ließen ihn seine Unschuld verlieren, machten ihn zur parasitären Existenz.

Seit einiger Zeit allerdings beginnt der Gedanke der Entschleunigung wieder an Akzeptanz zu gewinnen. Nicht nur die Oblomows der Literatur dürfen somit auf heimliche Sympathien hoffen, sondern auch derjenige, der sich der allgemeinen Geschäftigkeit verweigert.
Und dennoch: Kaum je schien es angesichts allgegenwärtiger Freizeitangebote und digitaler Zerstreuungen so schwer wie heute, faul zu sein.
Manfred Koch legt mit diesem Band eine unterhaltsame und kompakte Kulturgeschichte des Müßiggangs im Spiegel von mehr als zwei Jahrtausenden vor und führt seine Leser in die heikle Kunst der Faulheit ein.
(Text: zu Klampen Verlag)

Manfred Koch, Faulheit. Eine schwierige Disziplin. Essays. Herausgegeben von Anne Hamilton. 158 Seiten, gebunden. 18,5 x 11,5 cm. zu Klampen Verlag, Springe 2012. 19,80 Euro (= Reihe zu Klampen Essay)

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