Franziska Füchsl: Rätsel in großer Schrift (edition mosaik)

Manchmal geschieht das Büchermachen so unauffällig und versteckt, dass man schon mit der Nase darauf gestoßen werden muss. Und dann ist die Entdeckerfreude beglückend. Jetzt hat es die edition mosaik aus Salzburg getroffen, mit ihrer kleinen Serie an liebevoll gestalteten Einzelveröffentlichungen beschirmt von der aktiven Zeitschrift gleichen Namens. Die edition nun steht seit wenigen Jahren für ein „Aufeinandertreffen von Künstler*innen in ihren jeweiligen Ausdrucksformen zur Sichtbarmachung der Vielfalt moderner Literatur“ und soll „Ansporn und Wegmarke“ sein. 2018 erschien dort der Debütband Rätsel in großer Schrift von Franziska Füchsl./sw

 

Rätsel in großer Schrift

Rätsel in großer Schrift ist ein apart offen geheftetes, kleines Büchlein, in dessen weiß gedrucktem Teil es kaum einen Großbuchstaben gibt. Auf 65 Seiten entwickelt sich ein poetisches Vorgehen, das mit graphischen Elementen behutsam ergänzt wird (Leseprobe).

Ein Ich tritt auf als „… ich-spirale, gezwirbelt in das öhr …“ und findet in diesem Wort einen Anknüpfungspunkt: „die nadel bringt das öhr ins stoffloch als spielraum für den faden“ – und es steht zu vermuten, dass das Ich als Spielraum für die Sprache gleichsam das Öhr für den Text geben will.
Schon auf der nächsten Seite wird aber ein neues Wort befragt: nous – wir oder uns im Französischen – und (das lyrische) Ich verwandelt sich das Wort an und verkürzt es zu nu. Bedeutung wird verschoben – das Kreuzworträtsel kennt unter „Nu“ den kurzen Augenblick. Die Kreuzworträtselsammlung taucht auf, als das Ich in ihr liest, etwas später wird diese aus dem Regal genommen, und die Beschreibung dieses Buch-aus-dem-Regal-Fischen ist eine, der man das Angelglück zwischen den Buchrücken deutlich anmerkt. In der Kreuzworträtselsammlung sind Wörter eingetragen in einer dem Ich vertrauten Handschrift, es ist ein von einem abwesenden Freund geerbtes Buch, dessen Erscheinungsdatum und Verlag präzise aufgeführt werden – und es wird zum Anlassgeber und Überlegungsraum: „… – die kreuzworträtselfelder sind vielleicht beete : himmelschreiende standbilder, vogelscheuchen.“ Ähnlich wie Scrabble bricht ein Kreuzworträtsel Wörter auf Buchstabenmengen herunter. Aber hier wird den Wörtern nachgegangen, sie werden vorgeführt, miteinander verglichen, aufeinander bezogen. Triftige abendländische Sprachwendungen tauchen auf, ohne dass Muff unter sprachlichem Talar hervorkröche. Jede Seite wirkt wie ein eigenes Bild, aber alles wird immer mehr in einen Zusammenhang gefädelt, je öfter man die Texte liest. Sprache ist die heimliche Hauptperson.

Die Typographie benützt weitestgehend kleine Buchstaben, gelegentlich und mit zunehmender Häufigkeit werden sie fett gesetzt, wobei „das ganze, insgesamt“ einen doppelten Auftritt hat. Die einzig auftauchenden Großbuchstaben befinden sich halbzeilig im Text hochgestellt und markieren damit ebenfalls, dass sie dem Kreuzworträtsel entlehnt wurden.

Es ist kein wichtigtuerisches Buch und keins für endgültige Antworten, es verzichtet auf modische Schmuckworte. Es ist ein Buch für Menschen, die in Sprache auf dem Rücken schwimmend das Blau des Himmels bestaunen, und es lohnt das Lesen wiederholt reich.

Gesche Heumann
(Homepage der Künstlerin und Autorin)

  • Franziska Füchsl: Rätsel in großer Schrift. Salzburg: edition mosaik 2018. 65 Seiten. 8 Euro.

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