Prose ’n‘ Panels: Zenobia von Morten Dürr und Lars Horneman

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Es war einmal: Zenobia war eine der einflussreichsten Frauen der Antike. Als Herrscherin über Palmyra verhalf sie ihrem Reich zu Wohlstand und einer ansehnlichen Größe, bis es selbst für die mächtigen Römer zu einer ernsthaften Konkurrenz wurde. Zenobia, die Rebellin, wurde von Kaiser Aurelian zurückgedrängt und schließlich besiegt, ihre Geschichte geht nicht gut aus.

In der gleichnamigen Graphic Novel der dänischen Künstler Morten Dürr und Lars Horneman tritt Zenobia weniger als historische Herrscherin denn als Märchenfigur auf, deren Legende die kleine Amina von ihrer Mutter erzählt bekommt. Sie ist nur der weltgeschichtliche Rahmen dieser Graphic Novel, die im Wechsel von Aminas Alltag in Syrien und ihrer Flucht erzählt, vom Leben in der Familie und genauso von der verheerenden Einsamkeit in den Trümmern einer vom Krieg zerstörten Stadt – und schließlich von der alles verschlingenden Leere des Meeres.

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Man weiß sofort, dass auch diese Geschichte kein glückliches Ende nehmen wird: Gleich zu Beginn kentert das Boot, auf dem Amina und viele andere vor dem Krieg fliehen, auf hoher See. Die Handlungsfäden sind meisterhaft ineinander verwoben. Aminas Gedanke, als das offene Meer sie verschluckt: „Niemand kann mich hier finden.“ Darauf folgt die Rückblende auf das Versteckspiel mit der Mutter, die Amina im Schrank entdeckt. Es ist eine irrsinnig traurige, beklemmende und aufwühlende Geschichte. Mit dem stark individualisierten Blick auf das Thema Flucht, hier konsequent aus Aminas Sicht erzählt, gelingt den Autoren nichts Geringeres, als Empathie zu erzeugen. Und die ist ein guter Grundstein für mehr Solidarität mit Geflüchteten, für die die gefährliche Fahrt über die offene See der letzte Ausweg aus Kriegsgebieten ist.

„Frauen schaffen alles! Erinnere dich an Zenobia!“

Die Graphic Novel erzählt Aminas Geschichte zugänglich und ohne Distanz. Dabei lassen Dürr und Horneman oft ausschließlich die reduzierten, in klarer Linie gezeichneten Bilder sprechen und verlieren wenige Worte. Aber die Sätze, besonders diejenigen, die Amina sagt, bringen das eigentlich unbegreifliche Geschehen auf den Punkt. Letztlich ist Zenobia, die reiten und kämpfen kann „wie ein Mann“, vor allem ein Ausdruck der Hoffnung, die Aminas Mutter hat: Hoffnung, dass ihre Tochter in Sicherheit leben kann, weit weg von den Gefechten, die alles um sie herum in Schutt und Asche gelegt haben. Die Mutter spricht wohl auch sich selbst Mut zu, wenn sie zu Amina sagt: „Frauen schaffen alles! Erinnere dich an Zenobia!“

Die Graphic Novel wurde in Dänemark vielfach ausgezeichnet und ins Arabische, Englische, Französische, Koreanische, Türkische, Schwedische und Spanische übersetzt. Die deutschsprachige Ausgabe von Zenobia ist im noch jungen Wiener Verlag bahoe books erschienen – wer mit halbwegs offenen Augen durch die Stadt geht, dem düften die Plakate des umtriebigen Verlags kaum entgangen sein. bahoe veröffentlicht politische Literatur, Sachbücher zur Geschichte der Arbeiter*innenbewegung und zu Aufständen und Revolutionen. Zuletzt erschien zum Beispiel Eva Gerbers Romanbiografie über die Anarchistin Louise Michel. Auch ein erlesenes Comic- und Graphic-Novel-Aufgebot gehört fest zum Programm, das durch Zenobia zweifellos einen neuen Meilenstein bekommen hat.

Jana Volkmann

 

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  • Morten Dürr, Lars Horneman: Zenobia. Graphic Novel. Aus dem Dänischen von Isabella Rasmussen. Wien: bahoe books 2018. 100 Seiten. 18 Euro.

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