Courage haben in dieser Sache alle: Autorin, Herausgeberin und Verlag. Jetzt braucht es noch couragierte Leserinnen und Leser. „Makkaroni in der Dämmerung versammelt die Feuilletons der gefeierten Starautorin Vicki Baum (1888–1960) erstmals in Buchform: von Mode und Schönheit über Kunst und Kultur, Wien, Hollywood und den amerikanischen Lifestyle bis hin zu aktuellen sozialpolitischen Themen.“ So lautet die Ankündigung der Edition Atelier, wo das Werk jetzt erschienen ist. Der Wiener Verlag ist ja für Trouvaillen in der Literatur des 20. Jahrhunderts bekannt.
Zugegeben: Manches wirkt inzwischen etwas aus der Zeit gefallen an diesen Feuilletons. Dies eben nicht nur, wenn Vicki Baum von aktuellen Kulturereignissen erzählt oder von den angesagten Modetrends der Zwischenkriegszeit, sondern insbesondere dann, wenn die gutbürgerliche Bildung aus ihr herausbricht, sie von der Disziplin kleiner Ballettelevinnen schwärmt oder über das Kleid einer Schauspielerin und dessen Schicksal sinniert. Da schmiegt sich einmal zu oft ein Stoff „zärtlich“ an die Trägerin, da weht eine Brise zu viel Parfüm durch die Zeilen.
Aber dennoch: Der Stempel der bloßen Unterhaltungsschriftstellerin, der hängt der 1888 in Wien geborenen Hedwig Baum zu Unrecht an. Denn aus ihren Texten spricht ebenfalls die Stimme einer unabhängigen, willensstarken Frau, die ihre Umgebung mit milde-kritischen Augen betrachtet. Und die, wenn sie in ihren Augen obsolet und hinderlich sind, bereit ist, über Konventionen hinwegzugehen. Das macht insbesondere manche ihrer Feuilletonbeiträge alters- und zeitlos. Wer beispielsweise ihren journalistischen Selbstversuch liest, bei dem sie sich einer Hormonbehandlung als Jungbrunnen-Wunderkur unterzieht, der wird den ironischen Unterton genießen. Und an den Botox-Wahn unserer Tage denken.
Dass sie mehr war als eine unterhaltsame Schriftstellerin, die hohe Auflagen erzielte – allein das macht Autoren ja bis heute noch in gestrengen Kritikerkreisen „verdächtig“ –, wird besonders an einer Textart deutlich, mit der man ihren Namen heute nicht mehr unmittelbar verbindet. Bekannt sind nach wie vor einige der rund dreißig Romane – allen voran natürlich Menschen im Hotel –, die sie neben zahlreichen Drehbüchern und Theaterstücken in Europa und den USA verfasste und die immer wieder aufgelegt werden. Wie sehr sie jedoch die Klaviatur des Schreibens beherrschte, zeigen die Essays und Artikel, die Vicki Baum für Zeitschriften und Magazine verfasste. Sie war eine sehr gute Handwerkerin, die bei aller Produktivität Form und Sprache nicht vernachlässigte, an ihnen feilte, bis ihren Artikeln dieser spezifische Hauch von Leichtigkeit anhing – und man weiß ja: Schwer ist oft das Leichte.
Dass man es nun an einem Stück genießen kann, ist der Literaturwissenschaftlerin Veronika Hofeneder zu verdanken, die die Feuilletons aus den drei großen Stationen von Vicki Baum – Wien, Berlin, Hollywood – als Herausgeberin für den Band zusammenstellte und mit einem klugen Vorwort versah.
Vicki Baum hing dennoch zeitlebens und hängt ihr bis heute der Ruf an, „eine erstklassige Schriftstellerin zweiter Güte“ (ihre Selbstcharakterisierung) zu sein. Wie sehr sie das wohl beschäftigte, ist auch ihrem 1931 im „Uhu“ erschienenen Beitrag „Angst vor Kitsch“ abzulesen: Ein beinahe trotziges Bekenntnis der Autorin, ein Plädoyer, Mut zum Gefühl zu zeigen (auch in der Literatur). Herrlich zu lesen für jeden, der ebenfalls ab und an von Sentimentalitäten geplagt ist – leicht, ironisch und herzerwärmend:
„Was den Geschmack betrifft, da kann man sich immer blamieren, so oder so. Aber was das Gefühl angeht: Wohl dem, der hat, und das ist meistens richtig.
Und dann, ihr Lieben: Macht euch nicht so wichtig. Kompliziert euch das Dasein nicht unnütz. Habt nur Courage. Spürt nur. Lebt nur.
Auf alles andere kommt es so gar nicht an.“
Vicki Baum hatte sie wohl, diese Courage – und brauchte sie auch. Denn in ihrem eigenen Leben kostete das Jonglieren – als disziplinierte Familienfrau einerseits, als erfolgreiche, reiselustige und berufstätige Autorin andererseits – einen hohen Preis. Die Fassade der perfekten Frau erhielt sie lange Jahre ihres Lebens trotz ihrer Alkohol- und Tablettenabhängigkeit aufrecht – oder vermochte dies vielleicht nur mit diesen Hilfsmitteln aufrechtzuerhalten. Sie wollte um jeden Preis funktionieren: Auch darin, über die individuelle Lebensgeschichte hinaus, ist sie eine typische Vertreterin vieler Frauen ihrer Generation. Depressionen, Zusammenbrüche und eine 1950 diagnostizierte Leukämie prägen ihre letzten Lebensjahre. Und deshalb einen Appell an furchtlose Leser(innen): Lest Vicki Baum, lest sie genau und ohne Vorbehalte im Kopf. Ein Gewinn kann dann die Erkenntnis sein, wie zeitlos gut auch leichte Unterhaltung sein kann.
Danke an Birgit Böllinger!
(der Beitrag erschien am 6.3. in voller Länge auf ihrem Blog Sätze & Schätze)
(Senta Wagner)