So viele i und a in einem Namen, dabei ist die Botschaft dahinter ganz einfach: Topalian & Milani Verlag für schöne Bücher! Um genau zu sein, sind „alle Bücher des Verlages – schön gedruckte und gebundene Kostbarkeiten – Bücher, die man ungern ausleiht, weil man fürchten muss, sie nicht wieder zurückzubekommen“. Dazu muss man sie erst einmal haben. Jetzt ist die beste Gelegenheit. Bei Topalian & Milani ist man jung und frisch, der Verlag wurde erst 2015 von Rasmus Schöll und Florian L. Arnold gegründet und hat seine Heimat in Oberelchingen. Im Programm schwärmt man großzügig aus: Neben Kunstbüchern gehört Stefan Zweig zu den Klassikern, Anna Kim zur Jungen Literatur und Lutz Seiler ist in der Reihe DULCAMARA (bittersüß) zu entdecken.
Mit dem Roman Goldgefasste Finsternis, einem „Luftschloss in Prosa“, von Arno Tauriinen steht der Verlag auf der Hotlist 2017.
Arno Tauriinen – Goldgefasste Finsternis
Allein schon der erste Blick auf das Cover und ins Buch lässt erahnen: Hier wartet ganz besonderer Lesestoff. Phantastisch, skurril, auch ein wenig monströs. Finsternis in barock-brokatener Goldumrahmung – und ein Hochgenuss für jene Leserinnen und Leser, die einfach die Lust am Fabulieren teilen. Und am Ende der Lektüre fragt man sich: Ein literarischer Höllenritt oder einfach nur ein himmlisches Schauspiel?
Schon Shakespeare hat es auf den Punkt gebracht: „Die ganze Welt ist Bühne. Und alle Fraun und Männer blosse Spieler. Sie treten auf und gehen wieder ab, sein Leben lang spielt einer manche Rollen durch sieben Akte hin.“
Doch wer entscheidet, ob wir die Hauptrolle in einer Tragödie spielen, einen bloßen Nebenpart in einem seichten Dramolett haben oder gar prädestiniert sind für das Varieté? Ist Gottvater der große Strippenzieher oder doch sein missratener Sohn, der Höllenhund? Im Fall des Falles wünscht sich mancher insgeheim wohl doch eher Lucifer als Intendanten – da kann im Stück zwar manches höllisch daneben gehen, aber zumindest wird es nicht fad, bis der große Vorhang fällt.
So geschieht es in Goldgefasste Finsternis: Ein im positivsten Sinne irres, wahnwitziges, spektakuläres Buch voller Überraschungen, Kapriolen, unvermuteten Volten, bis die Schwärze sich am Ende auch über Lucifer senkt. In diesem „Luftschloss in Prosa“ (so der Untertitel) verwandelt das Theatergenie Lucius Onagre die ganze Welt in ein Theaterstück. Sein Werk „Basilisk“ breitet sich über den gesamten Globus aus. Ein Theaterstück, das sich Mensch, Tier und Fabelwesen einverleibt, das ganze Leben wird wortwörtlich zum Spiel.
„Zu lange schon.
Zu lange schon ging das alles.
Gott, der in einer kleinen Loge weit über allem
Treiben zur Rechten seines zweiten Sohnes sitzt,
weiß nicht, wie er sich wachhalten soll …
Zu müde ist er von allem Weltentheater, für das man ihm an diesem Abend auch noch ein Billett aufgeschwatzt hat, und nichts von dem, was sich seinen Augen bietet, ist neu, zumindest nicht für ihn.“
Das Spiel des Lebens, das ist hier die Geschichte von Gott und seinem abtrünnigen Sohn, jener Luciver, der mit dem Spektakel eigentlich nur eines will: Die Liebe und Anerkennung seines Vaters. Viel Lärm um nichts? Beileibe nicht! Wer absurde, verspielte Geschichten in der Tradition beispielsweise eines Herzmanovsky-Orlando mag, wer Sinn hat für phantastische Kapriolen und eine Sprache liebt, die geprägt ist von diesem schwarzhumorigen-melancholischen Humor, den die österreichischen Autoren so kongenial beherrschen, der wird diesen Roman sehr mögen. Zumal neben den eingangs erwähnten Kaffeehausliteraten auch noch Freud und etliche andere Prominente ihren Gastauftritt auf dieser Bühne haben. Angesiedelt in der fiktiven Stadt W., erzählt von einem dritten Mann, glänzt W. alles andere als gülden:
„W., du schöne und ewige Dalle für jenseitssüchtige Verbrecher, Mörder, Lüstlinge, Schabernakkreisende, Physiker und Säulenheilige, Irrwische und Schauspieler, vor allem aber Stadt der vielen Theater, in denen das Volk sich von Tagesanbruch bis in die späte Nacht das Herz aus dem Leib reißt und anderem Volk zum Fraß vorwirft. Stadt, in der alles, was nicht gesagt werden darf auf Litfaßsäulen und Plakatwänden erscheint … und doch niemals gelesen wird.“
Nun, ich kann nur empfehlen: Lest diesen Roman! Und schaut und staunt: Die Reise durch die goldgefasste Finsternis wurde wieder einmal aufsehenerregend illustriert von Max P. Häring, dessen Stil und Sinn für Phantastik wie geschaffen scheint für dieses Welttheater in Prosa. Fein ziselierte Bilder, düstere und zugleich verspielte Tuschzeichnungen, die ein wenig an die Bilderwelt eines Hieronymus Bosch erinnern.
Bleibt am Ende, bevor der Vorhang sich senkt, nur noch die Frage nach dem eigentlichen Strippenzieher: Denn Arno Tauriinen, der so wenig österreichisch anmutende Name, ist ein Pseudonym. Dahinter versteckt sich, so der Verlag, ein in Wien geborener Neurologe, der Raubtierzähne, vertrocknete Kakteen und alte Bücher sammelt. Goldgefasste Finsternis sei sein erstes veröffentlichtes Buch, ein „Exzerpt aus vielen hunderten Notizen, Zetteln und Typoskripten“.
Herzlichen Dank an Birgit Böllinger! (Die Besprechung erschien bereits am 4.7.2017 auf Birgits Blog Sätze und Schätze und wurde für den Hotlistblog adaptiert.)
- Arno Tauriinen: Goldgefasste Finsternis. Roman. Illustrationen von Max P. Häring. Englische Broschur. Oberelchingen: Topalian & Milani Verlag 2017. 292 Seiten. 21 Euro
Senta Wagner