Bienenfleiß, mit Pausen

Am 8. November 2012 erschien im – damals noch so buchstabierten – Hotlist-Blog ein Beitrag „Honig im Buch: Rinck, Dath, Dutli, Wolkers, Imhoof/Lieckfeld”, an den der nachfolgende zauberhafte Text von DRadio Wissen nahtlos anknüpft – zugleich überleitend zum Thema (Oberbegriff) Faulheit, dem hier eine kleine Serie gewidmet ist (s. „Schlaf etc.” und „Schlaf etc. 2”).
Siehe auch: „Karl von Frisch und Jürgen Tautz erzählen von den Bienen” (Hotlist-Blog vom 9. November 2012).

„Im Bienenstock sind die Aufgaben streng geregelt. Es gibt einen Innen- und Außendienst. Die jeweilige Berufsgruppe entscheidet auch über den Schlafplatz. Und nicht nur das: auch darüber wie die Biene schläft.

Junge Bienen arbeiten im Inneren des Bienenstocks. Sie übernehmen das Reinigen der Waben oder Füttern der Brut. Deshalb schlafen sie auch im Inneren des Bienenstocks. Das zeigt die Arbeit von Wissenschaftlern der Universität Würzburg um Jürgen Tautz. Ihre Ergebnisse zum Schlafverhalten von Honigbienen haben sie im Fachmagazin Plos One veröffentlicht.

Ruhige Einzelzellen für die Jungen

Weil im Inneren des Stocks meist viel los ist, suchen sich die jungen Bienen zum Schlafen eine leer stehende Zelle, um ungestört schlummern zu können.

Foto: Andreas Trepte / Wikipedia Commons www.photo-natur.de
Foto: Andreas Trepte / Wikipedia Commons http://www.photo-natur.de

Werden Bienen älter, wechseln sie auch ihren Job innerhalb des Hofstaates.
Sie kommen in den ‚Außendienst‘ und sammeln Nahrung. Diese Bienen schlafen fortan im Außenbereich des Stocks – die schöne Einzelzelle ist damit passé.

„Die Forscher haben insgesamt das Verhalten von 100 Arbeiterbienen untersucht – in verschiedenen Phasen ihres kurzen Lebens.”
Hanna Immich [nomen est omen, Anm. mr]

Aber auch die Art, wie die Bienen schlafen, variiert. Junge Bienen schlafen noch sehr viel – auch tagsüber immer mal wieder. Erst die älteren Bienen entwickeln einen geregelten Tag-Nacht-Schlafrhythmus. Der Grund dafür könnte sein, dass sich die Sammlerinnen außerhalb des Stocks mehr Informationen merken müssen. Sie brauchen viel mehr Orientierungsvermögen als die jungen ‚Indoor‘-Bienen. Der durchgehende Schlaf könnte helfen, Wissen im Gedächtnis besser festzuschreiben.

Die Wissenschaftler haben auch eine bisher unbekannte Schlafhaltung bei den Honigbienen entdeckt: Die Tiere klemmen sich mit dem Kopf und dem Ende des Pos zwischen zwei Waben ein und lassen dann Beinchen und Fühler entspannt baumeln. Quasi wie in einer Art Hängematte. Klingt ganz gemütlich, und die Bienen können so bis zu 30 Minuten ohne jede Bewegung bleiben.”
(Text: DRadio Wissen)

Weiterführende Lektüre:

Ralph Dutli, Das Lied vom Honig. Eine Kulturgeschichte der Biene. 208 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag. Wallstein Verlag, Göttingen 2012. 14,90 Euro

More Than Honey. Vom Leben und Überleben der Bienen. Von Markus Imhoof und Claus-Peter Lieckfeld. 208 Seiten, Fadenheftung, Broschur. orange press, Freiburg 2012. 20,00 Euro

Und zum Hören:

Jürgen Tautz, Der Bien – Superorganismus Honigbiene. 2-CD-Set, 144 Minuten. Fotobooklet, 20 Seiten. supposé, Berlin 2007. 24,80 Euro

Karl von Frisch, Die Tanzsprache der Bienen. Originaltonaufnahmen 1953-1962. Herausgegeben von Klaus Sander. 2-CD-Set, 100 Minuten. Booklet, 8 Seiten. supposé, Berlin 2005. 24,80 Euro

sowie „17 Treffer für ‚Bienen’” bei DRadio Wissen.

Darüberhinaus zu empfehlen, zur Abrundung dieses Themenkomplexes, das witzige Kurzhörspiel „Stampferhonig” von Christian Schulteisz [8:05 Min], letztes Jahr Teilnehmer des open mike.

Musse und Kult von Josef PieperNun aber zum eigentlichen Thema. Den Anfang der heutigen Folge macht der Münsteraner Philosoph Josef Pieper (1904-1997), dessen Buch Muße und Kult (erstmals 1948) zwar in einem großen Verlag – Kösel – erschienen ist, aber in diesem Zusammenhang unbedingt genannt werden muss.

„Hier ist mit psychologischen und philosophischen Kategorien und der Sprachkraft eines großen Schriftstellers endlich die lange fällige Polemik gegen den modernen Götzen der Arbeit geschrieben.” – Joachim Günther

Leider bietet die Leseprobe nur die Einführung von Karl Kardinal Lehmann, der eine weitaus weniger interessante Gestalt als Josef Pieper ist.

Aus dem Inhalt:

Josef Pieper Foto  (c) Randomhouse / Kösel
Josef Pieper Foto (c) Randomhouse / Kösel

„Muße als Fundament der abendländischen Kultur”, „‚Wir sind unmüßig, um Muße zu haben’ (Aristoteles)”, „Der Anspruch der totalen Arbeitswelt”, „‚Geistige Arbeit’ und ‚Geistesarbeiter’”, „Das ‚Übermenschliche‘ der Kontemplation”, „Mühe und Mühelosigkeit”, „Kontemplation und Spiel”, „Trägheit (acedia) und Mußelosigkeit”, „Muße als Nicht-Aktivität”, „Entproletarisierung als Erschließung des Bereichs der Muße”.

An diese zuletzt zitierte Idee knüpft Wolfgang Engler an, Rektor der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch” Berlin, der in Bürger, ohne Arbeit (2005, nur als E-Book erhältlich) gegen das Bedingungslose Grundeinkommen das Argument anführt, dass ohne Bildung Muße nicht zu haben ist, die ‚freie‘ Zeit leer und fruchtlos bleibt (und schlechtestenfalls destruktiv wirkt).

Josef Pieper, Muße und Kult. Mit einer Einführung von Karl Kardinal Lehmann. 144 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag. 11,1 x 19 cm. Kösel Verlag, München 2007. 14,95 Euro

Schlaf Müdigkeit Faulheit 6 (Muße)


































Im transcript Verlag Bielefeld ist das oben abgebildete Buch von Volker Schürmann erschienen: Muße (Bibliothek dialektischer Grundbegriffe).

„Dieser Band will eine Verführungsrede zur Muße sein im Anschluss an die bekannte Unterscheidung von Karl Marx, dass es ein durch Arbeit bestimmtes ‚Reich der Notwendigkeit’ gebe und ein ‚wahres Reich der Freiheit’, jene ‚Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt’.
In dieser Zweiteilung ist die aristotelische Dreiteilung von Arbeit, Spiel und Muße verloren gegangen. Bereits diese theoretische Ungenauigkeit trug vielfach zur Preisgabe der strengen Selbstzweckhaftigkeit von Muße bei. Freiheit ist dann nicht als solche Thema und Anliegen, sondern analog zu Spiel und Freizeit soll sie noch anderem dienen: der Erholung von der Arbeit.
Gegen solcherart ‚Bastelanleitung‘ für das Reich der Notwendigkeit haben Odo Marquard und Josef Pieper zentrale Einwände formuliert, die sich lohnen, ihrerseits mit Marx gegengelesen zu werden.”
[Text: transcript]

Eine Leseprobe gibt es hier.

Das Verzeichnis Lieferbarer Bücher wie auch die Verlagswebsite von Aisthesis (man beachte die Abbildung) zeigen an, dass das Büchlein zunächst dort erschienen (und noch lieferbar) ist, wohl weitgehend textidentisch.

Volker Schürmann, Muße. 52 Seiten, Paperback. 21 x 12,5 cm. transcript Verlag, Bielefeld 2003. 7,60 Euro

Volker Schürmann, Muße. 44 Seiten, kartoniert. Aisthesis Verlag, Bielefeld 2001. 6,80 Euro

Ein Buch habe ich noch anzubieten (für heute):

Schlaf Müdigkeit Faulheit 8 (Muße)









„Müßiggang ist mehr als nur entspannendes Loslassen, Müßiggang ist auch die Fähigkeit zu hingebungsvoller Aufmerksamkeit, zu einer Wahrnehmung mit allen Sinnen. Die freie Muße jenseits von entfremdeter Arbeit gibt dem Menschen die Freiheit zu Selbstentwicklung und -entfaltung. Doch das zu leben, muß in unserer Gesellschaft erst noch erlernt werden.
Gisela Dischner plädiert für die Gerechtigkeit im Sozialen und für alle Freiheit im Geistigen als Bedingungen für ein geglücktes Leben, zu dem die Fähigkeit zum Müßiggang gehört.”
(Text: Aisthesis Verlag)

„Dieses Buch sollten Sie mit auf Ihre Insel nehmen: das Wörterbuch des Müßiggängers. Die Literaturwissenschaftlerin Gisela Dischner weiß, wovon sie schreibt. In ihrer Vita heißt es: ‚Gisela Dischner verbringt heute einen Teil des Jahres auf Mallorca, den anderen in Hannover.’ Damit hat sie mußetechnisch gesehen den Bogen raus. Jahrelang war in Gisela Dischners Vita der bedrückende Satz zu lesen gewesen: ‚Sie lebt und arbeitet in Hannover.’ Heute wechselt sie behende zwischen den Klimazonen und macht damit beides erträglich: Hannover und Mallorca.
Die geistesgeschichtlich klug angereicherten Stichworte in diesem Wörterbuch wollen all denen Mut machen, die das Gefühl haben:
Es geht nicht mit Hannover, aber auch nicht ohne.
Der Müßiggänger erzwingt nichts. Er lässt die Dinge auf sich zukommen, sprungbereit wartet er auf den rechten Augenblick, den ‚kairos’.

Unter diesem Schlüsselstichwort lesen wir:

‚Zu einer Moral der Muße gehört die Sensibilität und Empfangsbereitschaft für den kairos, den zeitaufhebenden Augenblick der Gegenwart. Der rechte Augenblick kann einer des Umschlags sein in eine neue Weise der Wahrnehmung und der daraus resultierenden Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit. Aristoteles sieht im kairos die Gunst der Stunde, den geeigneten Augenblick zum Handeln. Der kairos lässt sich niemals willentlich fangen. Er entzieht sich jedem Zugriff, er nähert sich dem aufmerksam Hingebungsvollen.’

Statt irgendwie durch den Tag zu huddeln, sieht sich der Müßiggänger in eine Traum-Landschaft gestellt, die er als Rollenspieler bewohnt.

Zum Stichwort Rollenspiel heißt es:

‚Der Müßiggänger tarnt seinen Rückzug in die eigene Gedankenwelt durch ein soziales Rollenspiel des scheinbaren Eingehens auf den small-talk, der ihn umgibt. Er nickt, lächelt, sagt vorwiegend Zustimmendes und ist höflich.’
Keine Frage: Das ist eines der raren Bücher, mit denen Sie überall gut durchkommen.”
Christian Geyer in der Frankfurter Allgemeine[n] Zeitung (22.7.2009)

Hier eine Leseprobe (pdf).

Gisela Dischner, Wörterbuch des Müßiggängers. 2., bearbeitete Auflage. 330 Seiten, Paperback. 21 x 14,5 cm. Aisthesis Verlag, Bielefeld 2009. 24,80 Euro

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