Literaturmuseum Strauhof – Ein Protestbrief der SWIPS

Der Hotlistblog dokumentiert einen Brief von Ursi Anna Aeschbacher (Verlegerin die brotsuppe, Biel) und Daniela Koch (Lektorin Rotpunktverlag, Zürich), die seit kurzem dem unabhängigen Schweizer Verlegerverband SWIPS vorstehen, an das Zürcher Stadtpräsidium, betreffend die angekündigte Schließung des Literaturmuseums Strauhof und bittet um vielfache Unterstützung des Protests, s. die unten verlinkte Petition. [Fettungen von den Hotlistbloggern/mr]

Literaturförderung in Zürich – Strauhof

Sehr geehrte Stadtpräsidentin
Sehr geehrter Herr Haerle

Wir danken für Ihren Brief vom 6. Januar 2014 zuhanden unseres seinerzeitigen Präsidenten, Herrn Patrick Schneebeli, dessen Amt unterdessen auf die Unterzeichnenden übergegangen ist, so dass wir uns erlauben, an seiner Stelle zu antworten.

Wir haben Ihre Ausführungen zum Literaturmuseum Strauhof und der Literaturförderung der Stadt Zürich intensiv studiert und die Entwicklung der jüngsten Zeit mit grosser Aufmerksamkeit verfolgt.

Mit Ihnen teilen wir die Einschätzung, dass die Literatur „in der heutigen Gesellschaft keinen einfachen Stand“ hat. Wir erleben diese bedrängte Position der Literatur jeden Tag in unserer Arbeit. Sie können sich also vorstellen, dass wir alle über die bisherigen Massnahmen hinausgehende Unterstützung begrüssen. Um so weniger können wir die Schlussfolgerungen nachvollziehen, die Sie aus Ihrer zutreffenden Einschätzung ableiten.

Falls wir Ihre Ausführungen richtig verstanden haben, setzt die Stadt Zürich jährlich etwa 500’000 Franken in Form von Preisen, Auszeichnungen, Werkjahren, Druckkostenbeiträgen und Veranstaltungen für die Literatur ein. Hinzu kommen rund 100’000 Franken an wiederkehrenden Beiträgen für Zürich liest.

Das Budget für das Literaturmuseum Strauhof hat laut Presseberichten 1’200’000 Franken pro Jahr betragen. Für die Alternative im Museum Bärengasse, welche die Stadt Zürich seit ein paar Tagen ins Auge fasst, wird ein Budget von 130’000 Franken an wiederkehrenden Betriebsmitteln sowie 70’000 Franken an unbaren Leistungen
(erlassene Mietkosten) veranschlagt (sowie eine einmalige Starthilfe von 50’000 Franken). Das neue Jugendliteraturlabor JULL soll mit 700’000 Franken jährlich finanziert werden.

Dazu möchten wir Folgendes festhalten: Das Jugendliteraturlabor JULL dient erklärtermassen schulischen Zwecken, indem es Jugendliche im Kontext ihrer Schulbildung mit lebendiger Literatur in Berührung bringen soll. Dies ist bereits heute im Rahmen des Literaturunterrichts und zahlreichen schulischen Projekten der Fall. Und auch wir unterstützen an unterschiedlichsten Orten der Schweiz diese Anstrengungen.
JULL stellt hier ein ergänzendes Programm zu bereits bestehenden Angeboten dar und muss redlicherweise zum Bereich Schule und Bildung gerechnet werden – keineswegs aber zur Literaturförderung im eigentlichen Sinn. Das sehen nicht nur wir, sondern auch zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Zürcher Lehrerschaft so.

Das vorausgeschickt, ergibt sich für die Literaturförderung ein anderes Bild: Bislang hat die Stadt Zürich für das Literaturmuseum Strauhof, das Festival Zürich liest sowie für Auszeichnungen und Beiträge gesamthaft 1,8 Millionen Franken jährlich ausgegeben. Nach der beabsichtigen Schließung des Literaturmuseums Strauhof und einer allfälligen Realisierung von Ausstellungen im Museum Bärengasse wird der Betrag auf 730’000 Franken liquide + 70’000 Franken unbare Mittel sinken. Selbst wenn wir den letztgenannten Posten zur Literaturförderung hinzurechnen (was nicht erhobene Mieten streng genommen nicht sind), so müssen wir konstatieren, dass die Stadt Zürich mit der Schliessung des Literaturmuseums Strauhof eine Kürzung von 65% ihrer Mittel zur Literaturförderung beabsichtigt. Wir übertreiben nicht, wenn wir feststellen, dass in der Stadt Zürich noch nie einer Kultursparte eine derart einschneidende Kürzung ihrer Förderung zugemutet werden sollte. Darüber hinaus zeigt die Absicht, das Museum Bärengasse einer privaten Trägerschaft zu übergeben, dass die Stadt Zürich sich aus allen Belangen zurückziehen will, die der literarischen Traditionspflege gewidmet sind. Was Sie zuzusagen bereit sind, betrifft lediglich eine rudimentäre Ausstattung an Personalmitteln, jedoch keine Ausstellungsbeiträge irgendwelcher Art.

Was Sie ankündigen ist demnach zweierlei:
• eine Kürzung der Literaturförderung um zwei Drittel und
ein Paradigmenwechsel in der Literaturförderung derart, dass literaturhistorische Veranstaltungen keinerlei Förderung mehr erfahren sollen.

Sie werden verstehen, dass wir gegen diese geplanten Massnahmen aufs Nachdrücklichste protestieren müssen. Der nun vorliegende Vorschlag ist nichts Geringeres als ein massiver Einschnitt und die Preisgabe eines Kernstücks der Literaturförderung und steht damit deutlich im Gegensatz zu Ihrer Darstellung der Prioritäten der Stadt Zürich in Ihrem o. g. Brief. Mit anderen Worten: Bei der geplanten Schliessung des Literaturmuseums Strauhof geht es um weitaus mehr als um den blossen Fortbestand dieser renommierten, über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannten Institution. Der Schriftsteller Klaus Merz hat es in der Veranstaltung des Strauhof Komitees vom Donnerstag letzter Woche so ausgedrückt: Literatur hat immer mit Erinnerung, Gedächtnis und Spurensuche zu tun. Ihr Wesen ist weniger ein aktuelles als ein reflexives, geschichtliches. Wer Literatur auf Aktualität und Zukunftsgerichtetheit festlegen will, kennt ihr Spezifikum nicht und verfolgt unbewusst die Absicht, die geistigen Fundamente unserer Gesellschaft zu ignorieren und zu verschütten.

Sie werden verstehen, dass es für die unabhängigen Verlegerinnen und Verleger der Schweiz hier um eine Angelegenheit grundsätzlicher Art geht und dass wir gegen diese Pläne protestieren müssen. Wir fordern Sie deswegen auf, Ihre Pläne noch einmal zu überdenken. Für Gespräche in dieser Sache stehen wir selbstverständlich jederzeit gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen

Ursi Anna Aeschbacher                                                       Daniela Koch

Hier der Brief als pdf [nach unten scrollen].

Weitere Links zum Thema:
Strauhofkomitee
Das Literaturmuseum Strauhof muss erhalten bleiben – Petition