von Liliane Studer
Am 4. Februar 2014 kaufte Martin Wallimann seine Fahrkarte nach Leipzig, er freute sich auf die diesjährige Messe. Zwei seiner Innerschweizer AutorInnen, Martina Clavadetscher und Christoph Schwyzer, waren im Rahmen von «Auftritt Schweiz» eingeladen. Mit dem österreichischen Internetradio Literadio hatte er bereits seit Langem vereinbart, dass er täglich um 13 Uhr eine Sendung zur Schweizer Literatur- und Verlagsszene – selbstverständlich jener an den Rändern – gestalten werde. Noch viel mehr aber freute sich Martin auf die Messe 2015, wenn die SWIPS-Verlage wieder einen eigenen Stand haben würden, gestaltet von Studierenden seines Freundes Jo Achermann, der an der Uni Cottbus lehrte und demnächst den Wettbewerb für die Standgestaltung lancieren wollte. So war Martin Wallimann: ein Netzwerker, ein Förderer, ein Macher.
Geboren wurde Martin in Alpnach, einem Dorf in Obwalden (Zentralschweiz), dem er während vielen Jahrzehnten treu blieb, bis er 2011 mit seiner Frau Marianne nach Sarnen, in den Nachbarort, umzog. Der Verlagssitz jedoch war und blieb in Alpnach. Und in Alpnach ist Martin auch begraben.
Er schätzte die persönlichen Beziehungen, und er nutzte sie, um die Anliegen der Verlagswelt aufzuzeigen. Wie stolz war Martin, dass im Kanton Obwalden der Ja-Stimmen-Anteil zum Buchpreisbindungsgesetz (Abstimmung vom März 2012) höher war als im Kanton Zürich. Und er war unbescheiden genug zu wissen, dass dies nicht zuletzt sein Verdienst war. Denn er reiste von Parteiversammlung zu Wirtschaftsverband und erklärte, worum es geht, in welcher Lage sich die Verlage in diesem Land befinden, welche kulturellen Leistungen die Buchhandlungen erfüllen, und dass gerade Randregionen dringend der Unterstützung ihres literarischen Nachwuchses bedürfen.
Dieser Nachwuchs lag ihm am Herzen. So entwickelte er in der 23-jährigen Geschichte des Verlags Martin Wallimann ein Belletristik-Programm, in dem gerade die jungen Autorinnen und Autoren einen Platz bekamen. Mit Christoph Schwyzer (1974 geboren) realisierte er vier Buchprojekte [und heim, Wenzel, Jakob und der Wolldeckenvogel, Chasch dänkä!] und es gelang ihm, die hohe Sensibilität des Autors zu entwickeln, ihn darin zu unterstützen, dass er seine Fähigkeit, Menschen zu beobachten, Fragen ans Leben zu stellen und die Leute zum Reden zu bringen, in Sprache umsetzte. Dass Schwyzers Buch Chasch dänkä! Lina Fedier. Über Schneestürme, Schmetterlingskinder und Gottvertrauen Ende 2013 ein Erfolg wurde und innerhalb weniger Monate mehrmals nachgedruckt werden musste, freute Martin riesig. Sein Strahlen war nicht zu übersehen.
Martin Wallimann war stolz auf das, was er in 25 Jahren zustande gebracht hatte. Und es war dieser Stolz, verbunden mit einer großen Freude, die ihm die Kraft gaben, weiterzumachen. Da war nichts von Überheblichkeit oder Besserwisserei. Martin konnte nicht anders, als seine ganze Kraft in das kulturelle Leben der Zentralschweiz zu stecken und anderen zum Erfolg zu verhelfen. Dies tat er in erster Linie als Mensch, der Verleger und Kunstdrucker war.
Unzählige Künstlerinnen und Künstler aus der Zentralschweiz und weit darüber hinaus haben an seiner Seite Originalgrafiken hergestellt, zählte er doch in der Schweiz zu den erfahrensten und vielseitigsten Kunstdruckern. Und so standen denn in seinen Verlagsräumen neben dem Bücherlager auch wunderschöne alte Druckmaschinen, die noch in Gebrauch waren. Dass Martin mit „kulturellem Leben” eigentlich das Leben an sich meinte, wissen jene, die eng mit ihm gelebt haben, in erster Linie seine Frau Marianne, die beiden Söhne Lukas und Elias. Für Martin gab es keine Trennungen, alles war ein Ganzes und gehörte zusammen.
2009 erhielt Martin Wallimann den Innerschweizer Kulturpreis. Diese Auszeichnung bedeutete für ihn eine Bestätigung seiner langjährigen Tätigkeiten. Dass es nicht immer einfach war, beschrieb er in seiner Dankesrede: „Gerade die Balance zwischen kulturellen Inhalten und unternehmerischem Denken ist etwas Schwieriges. Bei der Bank bin ich Unternehmer und werde so behandelt, aber die Tätigkeit erfordert kulturelle Inhalte und Werte. Manchmal ist dies fast nicht zum Aushalten.”
Martin setzte das Preisgeld damals nicht dafür ein, die Bank zu beruhigen – und das ist typisch für ihn –, vielmehr investierte er in die Jugend, zog von Schulklasse zu Schulklasse und ließ sie erleben, was ein Verleger, ein Kunstdrucker so tut. Als ihn ein achtjähriger Knirps, der mit großen Augen in der ersten Reihe saß, einmal fragte – der Mut, den er dafür brauchte, stand ihm ins Gesicht geschrieben –, wie schwer er sei, löste dies bei Martin dieses fröhliche Lachen aus, das uns seit dem 5. Februar 2014 so sehr fehlt.
Martin Wallimann lebte neben der Kultur noch einen anderen Schwerpunkt, der gerade in der Verlagswelt vielleicht weniger bekannt war: Nachwuchsförderung war ihm auch im Sport ein großes Anliegen. In jungen Jahren war er – seiner Postur entsprechend – aktiver und in der Zentralschweiz erfolgreicher Kugelstößer und Diskuswerfer; bis zu seinem Tod engagierte er sich im Leichtathletikverband der Region. Auch hier ging er eigene, ungewohnte Wege und organisierte etwa im vergangenen Jahr im Rahmen des Sarner Leichtathletik-Meetings das erste Obwaldner Volkskugelstossen.
Als Initiator hat Martin immer wieder sein feines Gespür für das Mögliche und sein umsichtiges Können gezeigt: So ist er der Gründer der luzern bucht – der buchmarkt findet in Ergänzung zum Literaturfest seit 2006 jährlich im März in Luzern statt. Auch hier stand am Anfang Martins Überzeugung, dass nicht alles in den Zentren Zürich, Basel oder Bern stattfinden muss, dass vielmehr die Kultur, hier die Verlage, in die Region zu holen sind. Er lud kleinere Verlage aus der Schweiz, Österreich und Deutschland nach Luzern ein, ihre Bücher auszustellen, oftmals Bücher, die durch besonders schöne Gestaltung auffallen. Seit nun schon neun Jahren folgen rund 40 Verlage der persönlichen Einladung nach Luzern. Die Begeisterung bei AusstellerInnen und Publikum zeigt, wie richtig Martin mit seiner Idee lag.
„Martin Wallimann war in jeder Beziehung ein gewichtiger Mann”, sagte Klaus Merz, den eine langjährige Freundschaft mit Martin verband, in der NZZ am Sonntag vom 16. Februar 2014. Und er drückte aus, was manche, die Martin kannten, auch sagen dürften: Martin interessierte sich für ihn und freute sich, dass er da war, als Freund.
Viel zu früh ist Martin Wallimann am 5. Februar 2014 mit 55 Jahren an Herzversagen verstorben. Wir vermissen ihn.
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