Wsewolod Petrow und Hans Sahl

Petrow, Manon LescautDie Darmstädter Jury hat das Buch Die Manon Lescaut von Turdej von Wsewolod Petrow zum Buch des Monats November gewählt.

„Ein sowjetischer Lazarettzug auf dem Weg von einer Front zur anderen. Darin ein Petersburger Intellektueller: Gepeinigt von Herzanfällen und Todesangst, liest er den Werther (auf Deutsch).
Aber in die Lektüre drängt sich die Geschäftigkeit der Militärärzte, Apotheker, Krankenschwestern um ihn herum.

Es ist eine seltsame Gemeinschaft, hervorgebracht zwar vom Krieg, doch bestimmt von ganz alltäglichen Sorgen und kleinen Freuden.

Bei einem längeren Aufenthalt trifft er auf ein Mädchen, das anders scheint als alle anderen: Vera Muschnikowa, ruhelos und romantisch, grazil und ungestüm – und jederzeit zur Liebe bereit. Der Feingeist erliegt ihrem vulgären Zauber, erkennt in ihr seine ‚sowjetische Manon’ und erahnt damit bereits den dunklen Weg, den ihre Liebe nehmen wird.”
(Text: Weidle Verlag)

Wsewolod Petrow (1912-1978) entstammte einer Petersburger Adelsfamilie, er war Kunsthistoriker und arbeitete vor dem Zweiten Weltkrieg am Russischen Museum. Nach dem Krieg, als Offizier in der Roten Armee demobilisiert, widmete er sich wieder seiner wissenschaftlichen Arbeit und veröffentlichte einige Standardwerke zur russischen Kunst.

Manon Lescaut von Turdej, entstanden 1946, erschien erst 60 Jahre später, im November 2006, in der Moskauer Zeitschrift Novyj Mir.

Die hellen Nächte

Sahl
Hans Sahl (Foto: Weidle Verlag)

Bei der Gelegenheit auch der Hinweis auf ein weiteres Buch, das dieser Tage bei Weidle erschienen ist, und dessen (New Yorker) Erstausgabe ins Jahr 1942 zurückreicht, da war sein Autor, der als Hans Salomon geboren und im US-amerikanischen Exil zu Hans Sahl wurde, gerade vierzig Jahre alt.

Hans Sahl

 

 

 

 

Sahl gewann im Deutschland der 50er und 60er Jahre zunächst vor allem als Übersetzer von Tennessee Williams, Arthur Miller, John Osborne und Thornton Wilder Bekanntheit (obwohl … in meiner Ausgabe von Unsere kleine Stadt ist ein Übersetzer überhaupt nicht genannt).
Erst spät wurde er auch als Schriftsteller wahrgenommen.

Zur Charakterisierung von Wilders Theaterstücken sagte Sahl:

„Nur in einem Land, in dem es Gegenden gibt, in denen noch vor wenigen Jahrzehnten die wilden Tiere hausten und heute Hochhäuser, Benzinstationen und Drugstores für die Anstrengungen der Menschen zeugen, einen Kontinent zu besiedeln, nur dort kann ein solches Gefühl entwickelt werden für die ameisenhafte Winzigkeit der Gattung Mensch im Raum und zugleich für ihre Größe.”
(Zitiert nach: Georg Hensel, Spielplan)

Nun, ich meine, die Winzigkeit und Größe des Menschen lässt sich überall in der Welt erfahren, auch im Frankreich des 17. Jahrhunderts, und so ist das Zitat vielleicht vor allem als Selbstaussage eines Menschen interessant, der mehr als einmal von der Auslöschung bedroht war und dann doch, zufällig, neunzig Jahre alt wurde.

Schön, dass der Weidle Verlag mit einer bibliophilen Neuausgabe von Die hellen Nächte das erste Erscheinen dieses Buchs vor siebzig Jahren feiert, und in ergänzenden Beiträgen, neben anderen von Stéphane Hessel, auch an den Menschen Hans Sahl erinnert. / mr

Bibliographische Angaben

Wsewolod Petrow, Die Manon Lescaut von Turdej. Roman. Aus dem Russischen von Daniel Jurjew. Mit einem Kommentar von Olga Martynova und einem Nachwort von Oleg Jurjew. 128 Seiten, fadengeheftete Broschur. Weidle Verlag, Bonn 2012. 16,90 Euro (auch als E-Book erhältlich, z. B. bei CulturBooks oder minimore, zum Preis von je 8,99 Euro)

Hans Sahl, Die hellen Nächte. Gedichte aus Frankreich. Mit Beiträgen von Burkhard Baltzer, Momme Brodersen, Stéphane Hessel und Ralph Schock. 100 Seiten, Paperback. Weidle Verlag, Bonn 2012. 16,90 Euro [Die Auflage liegt bei 800 Exemplaren, von denen 500 in den Handel kommen.]